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Altes Rußland


Wie die heiligen Berge aus ihren felsigen Höhlen die mächtigen russischen Helden entließen (der deutsche Text in der folgenden PDF-Datei ist nicht im Versmaß wiedergegeben)
Как святые горы выпустили из каменных пещер своих могучих русских богатырей



Hermann von Skerst
Altrussische Kulturstätten
1989 - ISBN 3878381913

Wer den europäischen Teil der Sowjetunion bereist, um die Kunstschätze des alten Rußland zu bewundern, ist wohl erstaunt, wie vortrefflich die Kirchen und Klöster, Kreml und Paläste restauriert sind. "Wie auch immer Rußland heute zu erleben ist, neu geprägt von seiner jüngsten Geschichte - erst aus den Spuren seiner Entwicklung, dem langen Atem seiner Kultur wird es begreifbar. Denn das »russische Volk« - mag der Begriff auch unzulänglich aufgrund von Größe und Verwandlung sein, so war er doch immer bezeichnend - hat kaum wie ein anderes gelernt, durch einander widerstrebende Metamorphosen hindurch die geistige Kontinuität zu wahren. Die Erscheinungsformen haben sich gewandelt, die sie hervorbringende Kraft aber ist geblieben. Unter diesem Aspekt tragen die Kunstdenkmäler Gegenwart in sich, sind, mit goldenen Kuppeln gekrönt, sprechende Bilder der Schweigsamkeit.

Die hier dargestellten Stätten - Kiew, Nowgorod, "Wladimir, Susdalj, Moskau, St. Petersburg - reihen sich an einem Wege, der, nachdem er aus den Zeiten der Sage auftaucht, sich im 9. Jahrhundert mit der freien Aufnahme des Christentums konturiert.

Obschon zunächst vom Berge Athos stark beeinflußt, entwickelt sich aufgrund tiefster Frömmigkeit, dieser Grundseelenhaltung des russischen Menschen, eine ganz eigenständige Verchnstlichung. Das Mönchtum spielt eine bedeutende Rolle, das der Starzen, der »Bettler um Geist«, wie das der Hesychasten, der mystisch Versunkenen. In ihnen sieht das Volk seine Lehrer. Die Klöster mit ihrer religionsphilosophischen Ausbildung und ihren Malschulen stellen entscheidende Kulturzellen des Landes dar; die Kirchen mit den oft »nicht von Hand gemalten« Ikonen sind Stätten der Anwesenheit des Reiches Gottes. Erst auf dem Hintergrund solcher jahrhundertelang geschulter Ergebenheit und Demut ist die politische Zentralisierung Rußlands möglich. Herman von Skerst vereinigt religiöse, kulturelle und geschichtliche Gesichtspunkte so, daß sich das eine am anderen verdeutlicht. Seine Betrachtungen und Beobachtungen umreißen im großen den "Werdegang Rußlands; doch dienen sie ebenso als Studienführer.

Auszug aus:
SSADKO VON NOWGOROD

Bei uns in dem Heil'gen Russenlande
In dem hochberühmten Nowogorod
Lebte einst Ssadkö mit seinen Eltern.
Doch der Vater starb, und keine Güter
Hinterließ er seinem Sohn; die Mutter
Zog allein ihn auf mit ihrer Arbeit.
Fing Ssadko nun an umherzuschweifen,
Spielte auf der Straße, sich vergnügend.
Einen Landstreicher er kennen lernte,
Der die Gusli lustig tönend rührte.
Lehrte dieser ihn das Guslispiel.
Kam einmal der Witwensohn zur Mutter;
Und Ssadko ihr diese Worte sagte:
Möchte gern ein Guslispiel mir kaufen,
Ein gar neues, Mutter, mir bestellen!
Seine Mutter antwortete ihm:
Ach du meine Güte! Lieber Knabe,
Wozu brauchst du denn das Guslispiel?
Bist ja nicht von fürstlichem Geschlechte,
Bist Bojar nicht, noch von Edelleuten!
Mußt dich an die schwere Arbeit machen,
Deine liebe Mutter zu ernähren.
Gab Ssadko zur Antwort seiner Mutter:
Will erfüllen deinen Wunsch gar gerne,
Mich begeben an die schwere Arbeit.
Bei der Arbeit waren viele Strolche,
Hänselten Ssadko sie nach Belieben.
Das gefiel ihm nicht; kam zu der Mutter,
Weinte laut vor Kummer und sprach also:
Möchte gern ein Guslispiel bestellen!
Diesmal war die Mutter nicht dagegen...
Als die lust'gen Gusli er erhalten,
Ging er auf die Straßen aufzuspielen.
Alles Volk von Nowgorod da lauschte
Von den Alten bis hin zu den Jungen.
Fingen alle an ihn einzuladen;
Und Ssadko ging spielen in den Häusern.
Für sein lust'ges Spiel sie gerne zahlten.
Also ward gesättigt seine Mutter.
Dies hört auch der Fürst von Nowogorod;
Rief Ssadko da zu sich auf das Gastmahl;
Setzte ihn auf einen Ehrensessel.
Als Ssadko nun anfing aufzuspielen,
Auf den gold'nen Saiten sich ergehend,
Da gefiel sein Spiel den Gästen allen,
Lauschten von dem Ält'sten bis zum Jüngsten
Und belohnten ihn mit rotem Golde.
Seitdem gab's kein Gastmahl bei dem Fürsten,
An dem nicht Ssadko die Gusli spielte.
Nach drei Jahr'n geschah's einmal bei Hofe,
Daß die Gäste viel zu viel gegessen
Und getrunken hatten auf dem Gastmahl.
Da beleidigten Ssadko, beschimpften
Die Bojarenkinder, seiner spottend.
Tief gekränkt verließ er das Gelage,
Ging nach Haus', beklagt sich bei der Mutter.
Sprach zu ihm da seine Mutter also:
Sei nicht traurig, du mein lieber Knabe.
Darum trieben ihren Spott die Kinder
Der Bojaren, weil sie vielgebildet,
Du jedoch ganz ungebildet lebest. —
Als drei Tage nun verstrichen waren,
Sammelte der Fürst ein fröhlich Gastmahl,
Sandte Diener hin Ssadko zu bitten.
Doch der kam nicht auf das Festgelage.
Als sie andern Tages wiederkamen
Und am dritten Tag, Ssadko da sagte:
Ihr habt doch genug Bojarenkinder;
Diese mögen euch die Gusli spielen!
Zu der eignen Mutter sprach Ssadko nun:
Gib mir, liebes Mütterchen, zu essen.
Gehen will ich an den Ilmensee;
Angeln werde ich gar viele Fische.
Spielen will ich lustig auf den Gusli,
Den berühmten Ilmensee ergötzen!
Tiefe Stille herrschte über'm See.
Manche Fische angelte Ssadko sich,
Setzte sich auf einen grauen Felsen,
Spielte dann auf seinen frohen Gusli.
Aufwallt' der berühmte Ilmensee;
Wasserwogen auseinanderflossen ...
Spielt den ganzen Tag er, spielt den zweiten;
An dem dritten, zur geleg'nen Zeit
Kam die Zarin Weißfisch angeschwommen
In Gestalt von einer Wassernixe.
Heil sei dir, Ssadko von Nowogorod! —
Weiß nicht, wer du bist, — gab er zur Antwort.
Bin Weißfisch, Zarin vom Ilmensee.
Dank sei dir, Ssadko von Nowogorod,
Für dein lustig Spiel! Dir lauschten alle
Meine Gäste, auch mein lieber Bruder.
Er ist Zar des Meeres; will dich selber
Bei sich sehn und hören. — Deine Kühnheit,
Heldenweisheit will ich hoch belohnen.
Nimm von mir, was du nur immer forderst.
Wirst von Stund an reich und glücklich sein.
Werde dir vom roten Golde geben,
Reines Silber und kostbare Perlen.
Wie ein Stein sank sie zum Grund hinunter.
Sitzt Ssadko und schaut und schaut aufs Wasser:
Wird wohl spotten mein die Zarin Weißfisch?
Plötzlich wallte auf der Ilmensee;
Sturm erhob sich. Kam in einem Kahne
Zarin Weißfisch selber angefahren.
Gab ihm rotes Gold, gediegen Silber,
Perlen kostbar und sprach solche Worte:
Dir, Ssadko, ist's eines Tags beschieden,
Wie ein Stein zum Meeresgrund zu fahren.
Wirst des Meeres Zar und Zarin schauen,
Sie ergötzen mit dem Guslispiel.
Wird in deiner Schuld er nimmer bleiben;
Dich belohnen, wie es sich gehöret. —
Gab zum Abschied ihren gold'nen Ring ihm,
Mit zwölf Steinen. — Diesen Ring behalte,
Wird bewahren dich vor jedem Unglück.

(Das ganze Lied und andere Lieder im genannten Buch von Hermann Skerst)


"In einem Gespräch wandte Dostojewski die Vision Johannes des Evangelisten von dem Weibe, das mit der Sonne bekleidet ist und in Schmerzen einen Sohn gebiert, auf Rußland an; er sagte, das Weib sei Rußland und das, was von ihr geboren werden soll, das sei das neue Wort, das Rußland der Welt zu sagen haben werde. Sei nun die Deutung dieses «großen Vorzeichens» wahr oder falsch, das neue Wort, das Rußland zu sagen haben wird, das hat Dostojewski richtig erraten. Es ist das Versöhnungswort für den Osten und den Westen, vereinigt in der ewigen, göttlichen Wahrheit und der Freiheit des Menschen. Das ist die höchste Aufgabe und Pflicht Rußlands und das war das «soziale Ideal» Dostojewskis. Seine Grundlage ist die moralische Wiedergeburt und die geistige Opfertat nicht mehr eines besonderen, einzelnen Menschen, sondern einer ganzen Gemeinschaft, eines ganzen Volkes." (Wladimir Solowjow, 1883)


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