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Cd ONikolaus Lenau

Dies ist eine Redaktionsseite des Café des Ostens. Es ist eine Arbeitsseite, daher erwartet bitte keine Gestaltung. Hier entsteht allmählich ein Artikel zum Thema. Näheres zum Café des Ostens findet ihr unter CdORedThemen und unter RolandBalzer.

Mein Türkenkopf

Mein Pfeifchen traut, mir ist dein Rauch,
voll duftender Narkose,
noch lieber als der süße Hauch
der aufgeblühten Rose.

Und hält die Rose Streit mit dir,
von beiden schöner welche?
Bist du die schönre Rose mir
mit deinem Glutenkelche.

Denn wie die Rose duftend blüht
im Grün der Frühlingsbäume,
also mein Pfeifchen duftend glüht
zum Frühling meiner Träume.
Weckt mir der Rose Freudenstrahl
ein schmerzlich Angedenken,
hilfst du zu kurzer Rast einmal,
was ich verlor, - versenken.

Und wenn dein blauer Wolkenzug
die Stirne mir umsponnen,
umkreist mich gern der rasche Flug
von dichterischen Wonnen.

Wenn dann die Qual versank in Ruh,
so dünket mich, mir wehte
ein heilend Lüftchen Nebel zu
vom stillen Tal des Lethe.

Drum, Pfeifchen traut,
ist mir dein Rauch, voll duftender Narkose,
noch lieber als der süße Hauch
der aufgeblühten Rose!

Nikolaus Lenau

Briefauszüge

13. März 1832 Gefällt es mir in Amerika, so bin ich gesonnen, etwa fünf Jahre dort zu bleiben; wo nicht, kehr' ich um und überlasse mein Eigentum der Gesellschaft zur Administration. Aber es wird mir hoffentlich gefallen. Der ungeheure Vorrat schöner Naturszenen ist in fünf Jahren kaum erschöpft, und meine lieben Freunde find' ich dann doch alle wieder. Dort will ich meine Phantasie in die Schule der Urwälder schicken, mein Herz aber durch und durch macerieren in Sehnsucht nach den Geliebten. Künstlerische Ausbildung ist mein höchster Lebenszweck, alle Kräfte meines Geistes, meines Gemütes, betracht´ ich als Mittel dazu. 16. März 1832 Nämlich ich will meine Phantasie in die Schule - in die nordamerikanischen Urwälder schicken; den Niagara will ich rauschen hören und Niagaralieder singen. Das gehört notwendig zu meiner Ausbildung. Meine Poesie lebt und webt in der Natur, und in Amerika ist die Natur schöner gewaltiger als in Europa Ein ungeheurer Vorrat der herrlichsten Bilder erwartet mich dort, eine Fülle göttlicher Auftritte, die nach daliegt jungfräulich und unberührt wie der Boden der Urwälder. Ich verspreche mir eine wunderbare Wirkung davon auf mein Gemüt. 16. Oktober 1832 Nach einer sehr langen Reise, durch zehn Wochen, bin ich endlich in Amerika angekommen. Ich bin jetzt um ein Gutes reicher, daß ich auch das Meer kennen gelernt habe. Die nachhaltigste und beste Wirkung dieser Seereise ist ein gewisser feierlicher Ernst, der sich durch den langen Anblick des Erhabenen in mir befestigt hat. Das Meer ist mir zu Herzen gegangen. Das sind die zwei Hauptmomente der Natur, die mich gebildet haben: dies atlantische Meer und die österreichischen Alpen; doch möcht´ ich mich vorzugsweise einen Zögling der letzteren nennen. Der Amerikaner hat keinen Wein, keine Nachtigall. Mag er bei einem Glase Cider seine Spottdrossel behorchen mit seinen Dollars in der Tasche, ich setze mich lieber zum Deutschen und höre bei seinem Wein die liebe Nachtigall wenn auch die Tasche ärmer ist. Ende der Seite 26

5. März 1833 In dem großen Nebellande Amerikas werden der Liebe leise die Adern geöffnet, und sie verblutet sich unbemerkt. Ich weiß nicht, warum ich immer eine solche Sehnsucht nach Amerika hatte. Doch ich weiß es. Johannes hat in der Wüste getauft. Mich zog es auch in die Wüste, und hier ist in meinem Innern wirklich etwas wie Taufe vorgefallen. Vielleicht, daß ich davon genesen bin; mein künftiges Leben wird es mir sagen. In dieser großen langen Einsamkeit ohne Freund, ohne Natur, ohne irgend eine Freude war ich wohl darauf hingewiesen, stille Einkehr zu halten in mich selber und manchen heilsamen Entschluß zu fassen für meine ferneren Tage. Als Schule der Entbehrung ist Amerika wirklich sehr zu empfehlen. 6. März 1833 Hier (Amerika) lebt der Mensch in einer sonderbaren kalten Heiterkeit, die ans Unheimliche streift. Größtenteils gewiß ist dies das Werk der Natur. Die Natur selbst ist kalt. Die Konformation der Berge, die Einbuchtungen der Täler, alles ist gleichförmig und unphantastisch. Kein wahrer Singvogel. Alles ist nur Gezwitscher und unmelodische Geflüster. Selbst der Mensch hat keine Stimme zum Gesang.

Biographisches
Der unstete Poet wurde am 13. August 1802 in Csatád bei Temeschburg in Ungarn geboren; heute gehört der Ort zu Rumänien. Nach dem frühen Tod des Vaters, eines Offiziers, zieht die Mutter mit dem kleinen Niki in die ungarische Hauptstadt, mit 16 kommt der junge Nikolaus zu den wohlhabenden Großeltern nach Wien. Dort soll er studieren.

siehe auch:

Gedichte
Der Baum der Erinnerung

Ja, du bist es, blütenreicher Baum, das ist dein süßer Hauch! Ich auch bins, nur etwas bleicher, Etwas trauriger wohl auch.

Hinter deinen Blütenzweigen Tönte Nachtigallenschlag, Und die Holde war mein eigen, Die an meinem Herzen lag.

Und wir meinten selig beide, Und ich meint es bis zur Stund, Daß so herrlich du vor Freude Blühtest über unsern Bund.

Treulos hat sie mich verlassen; Doch du blühst wie dazumal, Kannst dich freilich nicht befassen Mit der fremden Liebesqual.

»Allzulieblich scheint die Sonne, Weht der linde Maienwind, Und das Blühen und die Wonne Allzubald vorüber sind!«

Mahnend säuseln mir die Lehre Deine frohen Blüten zu; Doch ungläubig fließt die Zähre, Und mein Herz verlor die Ruh. (1833)

--- Dichters Klagelied über das junge Deutschland

Da droben auf jenem Berge, Da steht ich tausendmal An meinem Stabe gebogen Und schaue hinab ins Tal;

Folg meiner Gedankenherde, Mein Herz bewahret mir sie; Die Kunst ist herabgekommen Und weiß wohl selber nicht wie.

Da stehet von schönen Blumen Die ganze Wiese so voll, Ich breche sie, ohne zu wissen, Wem ich sie geben soll.

Und Regen, Sturm und Gewitter Verpaß ich unter dem Baum; Die Türe dort bleibt verschlossen, Und alles ist leider ein Traum.

Es stehet ein Regenbogen Wohl über jenem Haus; Poesie ist weggezogen, Und weit in das Land hinaus;

Hinaus in das Land und weiter, Vielleicht gar über die See. Vorüber, ihr Schweine, vorüber! Dem Dichter ist gar so weh. (1838)

--- Das Mondlicht

Dein gedenkend irr ich einsam Diesen Strom entlang; Könnten lauschen wir gemeinsam Seinem Wellenklang!

Könnten wir zusammen schauen In den Mond empor, Der da drüben aus den Auen Leise taucht hervor.

Freundlich streut er meinem Blicke Aus dem Silberschein Stromhinüber eine Brücke Bis zum stillen Hain. –

Wo des Stromes frohe Wellen Durch den Schimmer ziehn, Seh ich, wie hinab die schnellen Unaufhaltsam fliehn.

Aber wo im schimmerlosen Dunkel geht die Flut, Ist sie nur ein dumpfes Tosen, Das dem Auge ruht.

Daß doch mein Geschick mir brächte Einen Blick von dir! Süßes Mondlicht meiner Nächte, Mädchen, bist du mir!

Wenn nach dir ich oft vergebens In die Nacht gesehn, Scheint der dunkle Strom des Lebens Trauernd stillzustehn;

Wenn du über seinen Wogen Strahlest zauberhell, Seh ich sie dahingezogen, Ach! nur allzuschnell! (1827)

---Der Unbeständige

Daß ich dies und das beginne, Heute grad und morgen quer, Gegen das, was heut ich minne, Morgen richte Spieß und Speer:

Sollte das so sehr dich wundern, Du mein konsequenter Mann? Keiner von den Erdenplundern Lange mich behalten kann!

Heute bin ich zum Exempel Ganz ein Metaphysikus; Morgen schallt in Themis' Tempel Mein unsteter Menschenfuß.

Heute steh ich nachts am Giebel, Suche Jungfrau, Stier und Bär; Morgen les ich in der Bibel; Übermorgen im Homer.

Blickt mein Geist im Wissensdrange Durch ein Fenster in die Welt; O dann paßt er auch nicht lange, Sieht er drinnen nichts erhellt;

Und er guckt zu einem andern In die finstre Welt hinein! Muß von hier auch weiter wandern, Nirgends auch nur Lampenschein!

Freilich, wenn du unabwendig Starrest in dasselbe Loch, Wirds vor deinem Blick lebendig, Dein Ausharren lohnt sich doch;

Denn die Augen dir erlahmen, Und Gespenster malen sich In des Fensters leeren Rahmen: Und man nennt den Weisen dich! (1823/24)

--- Welke Rose

In einem Buche blätternd, fand Ich eine Rose welk, zerdrückt, Und weiß auch nicht mehr, wessen Hand Sie einst für mich gepflückt.

Ach, mehr und mehr im Abendhauch Verweht Erinnrung; bald zerstiebt Mein Erdenlos, dann weiß ich auch Nicht mehr, wer mich geliebt. (1843)

--- Vanitas

Eitles Trachten, eitles Ringen Frißt dein bißchen Leben auf, Bis die Abendglocken klingen, Still dann steht der tolle Lauf.

Gastlich bot dir auf der Reise Die Natur ihr Heiligtum; Doch du stäubtest fort im Gleise, Sahst nach ihr dich gar nicht um.

Blütenduft und Nachtigallen, Mädchenkuß und Freundeswort Riefen dich in ihre Hallen; Doch du jagtest fort und fort.

Eine Törin dir zur Seite Trieb mit dir ein arges Spiel, Wies dir stets ins graue Weite: »Siehst du, Freund, dort glänzt das Ziel!«

War es Gold, wars Macht und Ehre, Was sie schmeichelnd dir verhieß: Täuschung wars nur der Hetäre, Eitel Tand ist das und dies.

Sieh! noch winkt sie dir ins Weite, Und du wardst ein alter Knab! Nun entschlüpft dir dein Geleite, Und du stehst allein – am Grab.

Kannst nicht trocknen mehr die Stirne, Da du mit dem Tode ringst; Hörst nur ferne noch der Dirne Hohngelächter – und versinkst! (1823/24)

Niagara

Klar und wie die Jugend heiter, Und wie murmelnd süßen Traum, Zieht der Niagara weiter An des Urwalds grünem Saum;

Zieht dahin im sanften Flusse, Daß er noch des Waldes Pracht Widerstrahlt mit froher Muße Und die Sterne stiller Nacht.

Also sanft die Wellen gleiten, Daß der Wandrer ungestört Und erstaunt die meilenweiten Katarakte rauschen hört.

Wo des Niagara Bahnen Näher ziehn dem Katarakt, Hat den Strom ein wildes Ahnen Plötzlich seines Falls gepackt.

Erd und Himmels unbekümmert Eilt er jetzt im tollen Zug, Hat ihr schönes Bild zertrümmert, Das er erst so freundlich trug.

Die Stromschnellen stürzen, schießen, Donnern fort im wilden Drang, Wie von Sehnsucht hingerissen Nach dem großen Untergang.

Den der Wandrer fern vernommen, Niagaras tiefen Fall Hört er nicht, herangekommen, Weil zu laut der Wogenschall.

Und so mag vergebens lauschen, Wer dem Sturze näher geht; Doch die Zukunft hörte rauschen In der Ferne der Prophet. (1836)

--- In der Schenke

Am Jahrestag der unglücklichen Polenrevolution

Unsre Gläser klingen hell, Freudig singen unsre Lieder; Draußen schlägt der Nachtgesell Sturm sein brausendes Gefieder, Draußen hat die rauhe Zeit Unsrer Schenke Tür verschneit.

Haut die Gläser an den Tisch! Brüder, mit den rauhen Sohlen Tanzt nun auch der Winter frisch Auf den Gräbern edler Polen, Wo verscharrt in Eis und Frost Liegt der Freiheit letzter Trost.

Um die Heldenleichen dort Rauft der Schnee sich mit den Raben, Will vom Tageslichte fort Tief die Schmach der Welt begraben; Wohl die Leichen hüllt der Schnee, Nicht das ungeheure Weh.

Wenn die Lerche wieder singt Im verwaisten Trauertale; Wenn der Rose Knospe springt, Aufgeküßt vom Sonnenstrahle: Reißt der Lenz das Leichentuch Auch vom eingescharrten Fluch.

Rasch aus Schnee und Eis hervor Werden dann die Gräber tauchen; Aus den Gräbern wird empor Himmelwärts die Schande rauchen, Und dem schwarzen Rauch der Schmach Sprüht der Rache Flamme nach. (1831)

--- Mit meinen Gedichten

Baden-Baden, im Sommer 1844

Mich ließ die Gunst des Augenblickes, Ein flüchtig Lächeln des Geschickes, Wie bis ins Herz du schön, erkennen; Leb wohl! ich muß von dir mich trennen! Doch milderts mir dein frühes Scheiden, Wenn ich vom Glück, das mir entschwunden – So schnell wie du! –, die heitern Kunden Und wenn ich darf den Ruf der Leiden, Die singend mir das Herz zerrissen, In deinen lieben Händen wissen. (1844)

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Herbst

Rings ein Verstummen, ein Entfärben: Wie sanft den Wald die Lüfte streicheln, Sein welkes Laub ihm abzuschmeicheln; Ich liebe dieses milde Sterben.

Von hinnen geht die stille Reise, Die Zeit der Liebe ist verklungen, Die Vögel haben ausgesungen, Und dürre Blätter sinken leise.

Die Vögel zogen nach dem Süden, Aus dem Verfall des Laubes tauchen Die Nester, die nicht Schutz mehr brauchen, Die Blätter fallen stets, die müden.

In dieses Waldes leisem Rauschen Ist mir als hör' ich Kunde wehen, daß alles Sterben und Vergehen Nur heimlich still vergnügtes Tauschen.

--- Der Räuber im Bakony

Der Eichenwald im Winde rauscht, Im Schatten still der Räuber lauscht, Ob nicht ein Wagen auf der Bahn Fern rollt heran.

Der Räuber ist ein Schweinehirt, Die Herde grunzend wühlt und irrt Im Wald herum, der Räuber steht Am Baum und späht.

Er hält den Stock mit scharfem Beil In brauner Faust, den Todeskeil; Worauf der Hirt im Wurfe schnellt Sein Beil, das fällt.

Wählt aus der Herd er sich ein Stück, So fliegt die Hacke ins Genick, Und lautlos sinkt der Eichelmast Entseelter Gast.

Und ists ein Mensch mit Geld und Gut, So meint der Hirt: es ist sein Blut Nicht anders, auch nur rot und warm, Und ich bin arm. (1841)

---Der Indianerzug

1 Wehklage hallt am Susquehannaufer, Der Wandrer fühlt sie tief sein Herz durchschneiden; Wer sind die lauten, wildbewegten Rufer? Indianer sinds, die von der Heimat scheiden.

Doch plötzlich ihre lauten Klagen stocken. Der Häuptling naht mit heftig raschem Tritte, Ein Greis von finstern Augen, bleichen Locken. Und also tönt sein Wort in ihrer Mitte:

»Stets weiter drängen uns, als ihre Herde, Stets weiter, weiter die verfluchten Weißen, Die kommen sind, uns von der Muttererde Und von den alten Göttern fortzureißen.

Mir ist es klar, ich sehs im Licht der Flamme, Die mir das Herz verbrennt mit wildem Nagen: Sie brachten uns das Heil am Kreuzesstamme, Den Mut zur Rache an das Kreuz zu schlagen.

Den Wald, wo wir den Kindesschlaf genossen. Verlassen wir; der uns sein Wild geboten; Wo liebend wir ein teures Weib umschlossen; Den Wald, wo wir begraben unsre Toten.

Naht ihr den Gräbern euch von euren Ahnen, Sei still von euch die Hügelschar beschlichen, Die Toten nicht zu wecken und zu mahnen, Daß wir von ihrem Glauben sind gewichen.

Der Hohn wird kommen, früher oder später, Der gier'ge Pflug wird in die Gräber dringen; Dann muß die heilge Asche unsrer Väter Des tiefverhaßten Feindes Saaten düngen!« –

Nun feiern sie der Toten Angedenken; Die Sonn im Westen wandelt ihre Neige, Die Gräber noch bestrahlend, und sie senken Viel Tränen drauf und grüne Tannenzweige.

Da bricht die Wehmut plötzlich ihre Hemmung, Sie strömet laut und lauter in die Lüfte, Schon braust des Schmerzes volle Überschwemmung In wilden Klagen um die stillen Grüfte.

Nun wenden sich zur Wandrung die Vertriebnen, Oft grüßend noch zurück mit finsterm Sehnen Die teuren Hügel der Zurückgebliebnen, Bestreuend ihre Bahn mit Flüchen, Tränen.

Wie sie vorüberwandern an den Bäumen, Umarmend viele an die Stämme fallen, Zum Scheidegruß den trauten Waldesräumen Läßt jeder einmal noch die Flinte knallen. –

Der Flintenruf, der Ruf gerührter Kehlen Ist an den Hügeln allgemach verrauschet, Wo nur dem Klagehauch der Totenseelen Die Dämmerung, die stille, tiefe, lauschet.

2 Viel Meilen schon sind sie dahingezogen; Der Susquehanna treibt an ihrer Seite Mit heimatlichem Rauschen seine Wogen, Der treue Freund gab ihnen sein Geleite.

Den heißen Trieb, vom Feinde, dem verhaßten, Fort, fort zu fliehn mit wilden Fluchesklängen, Kann nur der müde Schlaf zu kurzem Rasten Aus ihren Gliedern allgemach verdrängen.

Ihr Feuer brennt im Dunkel hoher Eichen; Da ruhn die Gäste rings der Waldeswüste, Da legt der Mann sich hin, dem Schlaf zu weichen, Die Mutter ihren Säugling an die Brüste.

Schon sinkt das Feuer, und die sommerschwülen Nachtlüfte sich im Eichenlaub verfangen Und frei durchs lange Haar der Weiber wühlen, Die schlafend ihren Säugling überhangen.

Der graue Führer nur verbannt den Schlummer Und einer noch der Ältesten vom Stamme; Die sprechen lange noch von ihrem Kummer, Von Zeit zu Zeit nachschürend an der Flamme.

Sie schaun durchs dünnere Gedräng der Bäume Zurück nach dem verlornen Mutterlande, Und zürnend schaun sie dort die Himmelsräume Rotglühend hell von einem Waldesbrande.

Und also spricht der Häuptling zum Gefährten: »Siehst du sie morden dort in unsre Wälder? Getrost in unsres Unglücks frische Fährten Ziehn sie den Pflug für ihre Segensfelder.

Sie haben frech die Nacht vom Schlaf empöret, Daß sie sich mit dem Flammenkleide schürzet: Hoch brennt der Wald, vom Lager aufgestöret, Das Wild verzweifelnd aus den Gluten stürzet.

Gewecket von des Wildes Wehgeheule Und von dem falschen Tageslicht betrogen, Kommt schwirrend rings heran mit trunkner Eile Der Vögel Schwarm in seinen Tod geflogen.

Gewiß, gewiß, mit ihren Saaten wuchern Die Wünsche auch, die sie darunter streuen Von ihren unversöhnlichen Verfluchern; Es wird sie noch an spätem Tag gereuen!«

Noch starren die Betrübten, Tieferbosten Hinüber nach des Brandes rotem Scheine, Als der zerfließt im Morgenrot von Osten Und schon die Wipfel glühn im Eichenhaine. (1832)

Der Urwald

Es ist ein Land voll träumerischem Trug, Auf das die Freiheit im Vorüberflug Bezaubernd ihren Schatten fallen läßt, Und das ihn hält in tausend Bildern fest; Wohin das Unglück flüchtet ferneher Und das Verbrechen zittert übers Meer; Das Land, bei dessen lockendem Verheißen Die Hoffnung oft vom Sterbelager sprang Und ihr Panier durch alle Stürme schwang, Um es am fremden Strande zu zerreißen Und dort den zwiefach bittern Tod zu haben; Die Heimat hätte weicher sie begraben! – In jenem Lande bin ich einst geritten Den Weg, der einen finstern Wald durchschnitten; Die Sonne war geneigt im Untergang, Nur leise strich der Wind, kein Vogel sang. Da stieg ich ab, mein Roß am Quell zu tränken, Mich in den Blick der Wildnis zu versenken. Vermildernd schien das helle Abendrot Auf dieses Urwalds grauenvolle Stätte, Wo ungestört das Leben mit dem Tod Jahrtausendlang gekämpft die ernste Wette. Umsonst das Leben hier zu grünen sucht, Erdrücket von des Todes Überwucht, Denn endlich hat der Tod, der starke Zwinger, Die Faust geballt, das Leben eingeschlossen, Es sucht umsonst, hier, dort hervorzusprossen Durch Moderstämme, dürre Todesfinger. Wohin, o Tod, wirst du das Pflanzenleben In deiner starken Faust und meines heben? Wirst du sie öffnen? wird sie ewig schließen? So frug ich bange zweifelnd und empfand Im Wind das Fächeln schon der Todeshand Und fühlt es kühler schon im Herzen fließen. Und lange lag ich auf des Waldes Grund, Das Haupt gedrückt ins alte, tiefe Laub, Und starrte, trauriger Gedanken Raub, Dem Weltgeheimnis in den finstern Schlund. Wo sind die Blüten, die den Wald umschlangen, Wo sind die Vögel, die hier lustig sangen? Nun ist der Wald verlassen und verdorrt, Längst sind die Blüten und die Vögel fort. So sind vielleicht gar bald auch mir verblüht Die schönen Ahndungsblumen im Gemüt; Und ist der Wuchs des Lebens mir verdorrt, Sind auch die Vögel, meine Lieder, fort; Dann bin ich still und tot, wie dieser Baum, Der Seele Frühling war, wie seiner – Traum. Als einst der Baum, der nun in Staub verwittert, So sehnsuchtsvoll empor zum Lichte drang Und seine Arme ihm entgegen rang, Als nach dem Himmel jedes Blatt gezittert, Und als er seinen süßen Frühlingsduft Beseelend strömte weithin in die Luft – Schien nicht sein schönes Leben wert der Dauer, Und starb es hin, ists minder wert der Trauer, Als mein Gedanke, der sich ewig wähnt? Als meine Sehnsucht, die nach Gott sich sehnt? – So lag ich auf dem Grunde schwer beklommen, Dem Tode nah, wie nie zuvor, gekommen; Bis ich die dürren Blätter rauschen hörte Und mich der Huftritt meines Rosses störte; Es schritt heran zu mir, als wollt es mahnen Mich an die Dämmerung und unsre Bahnen; Ich aber rief: »Ists auch der Mühe wert, Noch einmal zu beschreiten dich, mein Pferd?« Es blickt' mich an mit stiller Lebenslust, Die wärmend mir gedrungen in die Brust, Und ruhebringend wie mit Zaubermacht. Und auf den tief einsamen Waldeswegen Ritt ich getrost der nächsten Nacht entgegen, Und der geheimnisvollen Todesnacht. (1835)

 
© BücherWiki Community bzw. die jeweiligen Autoren zuletzt geändert am January 17, 2003