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Die Gegenwart des Antisemitismus

Klaus Holz(2005): Die Gegenwart des Antisemitismus. Islamistische, demokratische und antizionistische Judenfeindschaft, Hamburg, ISBN 3-936096-59-7

Antisemitismus entwickelt sich neu derzeit in Europa wie im arabischen Raum. Ideologien, Parteien und Bewegungen nähern sich an. Im heutigen Antisemitismus treffen sich Muslime und Christen, Araber und Europäer der unterschiedlichsten politischen Ausrichtungen.

Klaus Holz, habilitierter Soziologe und Leiter des renommierten Evangelischen Studienwerks e.V. Villigst, verdient mit seiner Studie in seinem 112 Seiten Büchlein beachtet zu werden.

Eine Kernaussage ist der Import des islamischen Antisemitismus aus Europa. Neben den antisemitischen Ausfällen des iranischen Präsidenten Ahmadinedschad(2005) und des früheren malaysischen Ministerpräsidenten Mahathir(2003) gibt es eine massive antisemitische Welle der Propaganda in den arabischen und iranischen Medien, die in Europa lebenden muslimischen Migranten über Internet und Satellitenfernsehen erreicht. Antsemitische Straftaten in Großbritannien, Belgien und Frankreich werden von der Polizei häufig Jugendlichen aus arabischen Ländern zugerechnet, während Rechtsradikale in Deutschland die Haupttätergruppe ausmachen(vgl. Seiten 7-8)."Aktuelle empirische Untersuchungen über antisemitische Straftäter, die wissenschaftlichen Standards genügen, gibt es noch nicht"(vgl. Seite 8), zur Zeit erscheinen vielmehr "publizistische Schnellschüsse" mit undifferenzierten Antisemitismusvorwürfen gegen Migranten, die Rassismus und eine Islamophobie fördern(vgl. Seite 9).

Nach Holz lässt sich die Geschichte des Antisemitismus in der islamischen Welt in drei Entwicklungsphasen unterteilen: eine frühe, am deutschen Nationalismus und Nationalsozialismus orientierte; eine am sowjetischen Sozialismus und Antizionismus ausgerichtete und eine islamische Phase(Seite 12-14). Ausführlich wird in der Studie auf die Struktur- und Merkmalanalyse des islamischen Antisemitismus eingegangen. In den 4 Kapiteln "Gemeinschaft und Gesellschaft", "Macht und Verschwörung", "Die Figur des Dritten" und Nation und Religion" analysiert Klaus Holz mit Akribie den Antisemitismus und kommt zum Schluss, dass "der islamistische Antisemitismus bis in seine extreme Zuspitzung hinein strukturell identisch mit dem europäischen Antisemitismus ist"(Seite 37).

Analytisch besonders herausgearbeitet ist das Kapitel "Die Figur des Dritten". " 'Der Jude', als Dritter transzendiert, bedroht und zersetzt die binäre Unterscheidung zwischen uns und den anderen, dank deren die partikuläre Gruppenidentität konstruiert wird"(Seite 33). Aktualisiert wird das Kapitel mit Beispielen aus der Charta der Hamas(vgl. Art. 22 und 32 der Charta der Hamas).

Irritierend mag der Titel des Kapitels "Demokratischer Antisemitismus" sein(Seite 54-78). Darunter versteht der Autor die Judenfeindschaft, die in der demokratischen Öffentlichkeit geäußert wird. "So werden in aller Regel antisemitische Äußerungen von Demokraten in der rechtsradikalen Presse breit erörtert und als Belege für die Richtigkeit der eigenen Weltanschauung gefeiert. Rücktritte gelten dementsprechend in der rechtsradikalen Presse als Beweis für die(internationale Medien-Macht) der 'jüdischen Lobby'. Tatsächlich wird der Rücktritt eines Politikers in der Regel nicht mit der Begründung erzwungen, er habe sich antisemitisch geäußert, sondern er habe Mißverständnisse von sich ergeben, dem internationalen Ansehen Deutschlands und seiner Partei geschadet"(Seite 56-57). Gerne wird im demokratischen Antisemitismus auch die Judenvernichtung mit "angemessenen Bezeichnungen" vermieden. So spricht man von "Vergangenheit", "dunklen Seiten der deutschen Geschichte" oder "jenen unheilvollen zwölf Jahren"(vgl. u.a. dazu die Schuldvorwürfe in der Geschichte der BRD und nach 1989 wie der Frankfurter Auschwitz-Prozess 1963/64, die Debatten über die Verjährung für NS-Verbrechen 1965 und 1969, die Ausstrahlung des Filmes "Holocaust" 1979, die Rede Jenningers zum 50. Jahrestag der Reichsprogromnacht und der Historikerstreit 1988; in Österreich die Waldheim-Affäre 1986).

Literaturhinweise(Auswahl):

Benz W.(2004): Was ist Antisemitismus?, München

Bergmann W.(2004): Auschwitz zum Trotz. Formen und Funktionen des Antisemitismus in Europa nach 1945, in: von Braun Chr.-Ziege E.-M.(Hrsg.)(2004): Das bewegliche Vorurteil. Aspekte des internationalen Antisemitismus, Würzburg, 117-141

Bergmann W.-Erb R.(1991): Antisemitismus in der Bundesrepublik Deutschland. Ergebnisse der empirischen Forschung von 1946-1989, Opladen

Bertelsmann Stiftung, Bertelsmann Forschungsgruppe Politik(Hrsg.)(2005): Strategien gegen Rechtsextremismus, Bd. 1, Gütersloh

Georgi V.B.-Hartmann H.-Schellenberg B.-Seberich M.(Hrsg.)(2005): Strategien gegen Rechtsextremismus, Bd. 2, Gütersloh

Kiefer M.(2002): Antisemitismus in den islamischen Gesellschaften. Der Palästina-Konflikt und der Transfer eines Feindbildes, Düsseldorf


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