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Dmitrij Prigow

Dmitrij Prigow, geboren 1940; lebt in Moskau. Er ist Dichter, Künstler, Erfinder und „Patriarch“ des Moskauer Konzeptualismus und Autor zahlreicher Gedichtbände und Prosatexte. Seine Gedichtzyklen über den Milizionär und die Küchenschabe gehören zu den bekanntesten Texten des ehemaligen literarischen Underground.

Er veröffentlicht in Russland seit 1989, zahlreiche Lesungen und Performances. 1993 Puschkin-Preis. Publikationen u. a. in „Schreibheft “, „Akzente “.

In Deutsch erschienen: Poet ohne Persönlichkeit (1991), Der Milizionär (1991). Beteiligt war er an zahlreiche Gruppen- und Einzelausstellungen, u. a. Inter Art, Berlin; Städtisches Museum, Mühlheim an der Ruhr; Ludwig Museum, Budapest; documenta, Kassel; Stedelijk Museum, Amsterdam; Kunstverein Hannover; Struve Gallery, Chicago.

1990/91 war er DAAD-Stipendiat in Berlin.


Lebt in Moskau!
<übersetzt von: Klein, Erich und Macht, Susanne> (Russland)
Roman, gebunden, 320 S., Folio Verlag
Erscheinungsjahr: russisch 2000, deutsch 2003
ISBN 978-3-85256-234-1, € (D/A) 19,50 / sFr 33,50

Prigow, der „Patriarch“ des Moskauer Underground, erzählt seine frühesten Kindheitserinnerungen: wie die deutsche Luftwaffe Moskau bombardiert, wie deutsche Kriegsgefangene in riesigen Kolonnen durch die Stadt getrieben werden, vom Leben der Pioniere und von den Formen der grenzenlosen Bewunderung für Stalin über dessen Tod hinaus. Er spricht vom besetzten Estland und den Zuständen in einer Moskauer Kommunalka, davon, warum sich Kinder zu geheimen Orden zusammenschlossen, aber auch davon, warum Chruschtschow zum Kannibalen mutiert und den Dichter Wosnessenski in einem wilden Gelage verspeist und Gorbatschow alle Alkoholiker der Stadt spurlos verschwinden lässt. Prigows Moskau ist eine Stadt in Panik – einmal tauchen Haifische in der Moskwa auf, ein andermal nehmen die Schlachten zwischen Jugendbanden das Ausmaß eines Weltkrieges an. Prigow erzählt von den legendären Spielen zwischen „Dynamo“ und „Spartak“, von den zweifelhaften Errungenschaften sowjetischer Wissenschaft und von bizarren Experimenten mit alten Menschen; er bevölkert die Stadt mit Ratten und Küchenschaben und lässt sie schließlich in ihren eigenen Exkrementen untergehen.

Ganz in der Tradition der Russischen Groteske verwebt Dmitrij Prigow Traum und Realität, Fiktives, Ersonnenes mit tatsächlichen Gegebenheiten und schafft so ein surrealistisches Werk, das teils humorvoll aber auch sarkastisch, ja zynisch, letztlich mehr über Moskau und seine Bewohner aussagt, als es eine bloße Beschreibung je könnte. Man muss sich nur darauf einlassen.


Moskau - Japan und zurück
<übersetzt von: Körner, Christiane> (Russland)
Roman; gebunden, 271 S.; Folio Verlag
Erscheinungsjahr: russisch 2001, deutsch 2007
ISBN 978-3-85256-360-2; € (D/A) 22,50 / € (I) 21,30 / sFr 38,70

Dmitri Prigow erzählt von seinem Japan, voll der ganz normalen Skurrilitäten – Moskau ständig im Gepäck.

Dmitri Prigow hat seinen Freunden vom Moskauer Hinterhof etwas Entscheidendes voraus: Er hat Japan gesehen – und damit die Welt! Jetzt erzählt er ihnen von hysterischen Raben, die Menschenköpfe attackieren – nicht zu vergleichen mit den russischen Krähen! –, vom Koch eines russischen Lokals in Sapporo, dessen Vater als japanischer Offizier durch die Internierung in Sibirien dem Harakiri entging, von Sumo-Ringern, die vom Podest stürzen und Zuschauer zerquetschen, von der Geruchlosigkeit in diesem Land und dem schier unfassbaren Aufkommen an Toiletten. In kurzweiligem Ton und wie beiläufig verschränkt Prigow Begebenheiten im exotischen Reiseland Japan mit skurrilen Assoziationen, Reflexionen, Träumen, Erinnerungen und zahllosen Russland-Episoden.

Mit seinen hin- und herschweifenden Gedanken, seiner scheinbar schnoddrigen Sprache malt Prigow wieder einmal ein ausladendes Bild, von dem man sich einfach gedankenlos wegtragen lassen könnte, nirgendwo scheint hervorstechende Spannung oder gar „action“ zu sein, bis man plötzlich über einen Satz stolpert, der einen aus der dahinplätschernden Beschaulichkeit reisst, weil satirisch, böse irgendetwas oder -jemand aufgespiesst wird - sozusagen mit lächelnder Brutalität. Alltägliches wird plötzlich zur Gemeinheit – Prigow zwingt uns, eingefahrene Gedankensweisen zu hinterfragen. Oder er bringt so ganz nebenbei Gedanken, die überraschen, weil man sie auch schon gedacht hat - aber nie aus dieser Perspektive gesehen hat.

Auch den kleinen Machtspielchen – von großer Macht und großem Geld ganz zu schweigen – muss die Maske vom Gesicht gerissen werden. Ein Ziel, das ihn schon zu Sowjetzeiten, aber auch – und nicht weniger – danach getrieben hat, bis an sein Lebensende.


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© BücherWiki Community bzw. die jeweiligen Autoren zuletzt geändert am July 23, 2007