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Ein Haus In Wien

Amelie Lanier hat ihrem alten Wohnhaus in Wien ein literarisches Denkmal gesetzt. Die Autorin hat einen unkonventionellen Weg der Bewerbung genommen:

Leseprobe:

Die Kirchensteuer, oder das seelische Wohl

Mein Mitbewohner Joschi hatte einmal Probleme mit der Kirchensteuer.

Die Kirchensteuer wurde von den Nationalsozialisten nach dem Einmarsch in Österreich im Jahre 1839 eingeführt, um die Identifikation der Katholiken mit ihrer Kirche zu stören. Hitler und Co hofften auf massive Kirchenauftritte. Die Rechnung ging nicht auf, zumindest damals nicht. Nach Kriegsende wurde die Kirchensteuer beibehalten. Der Kirche, auch sonst ja nicht gerade eine arme Institution, gefiel diese Einnahmequelle offensichtlich. Sie wurde auch 1957 in das wieder gültige Konkordat aufgenommen. Darin verpflichtet sich der österreichische Staat auch, seine Exekutivorgane zum Eintreiben ausständiger Zahlungen zur Verfügung zu stellen.

Kirchensteuerbeiträge können daher, wie unbezahlte Rechnungen oder die Hundesteuer mittels Exekutor eingetrieben werden.

Ich hatte nie Probleme mit der Kirchensteuer, weil ich mit Erreichen der Volljährigkeit aus der Kirche ausgetreten bin. Aber Joschi konnte sich zu diesem Schritt nicht entschließen. Seine Begründung war, wenn er darauf angesprochen wurde, war die, daß er befürchtete, in Niederösterreich keine Arbeit zu bekommen, wenn er nicht Mitglied der katholischen Kirche sei. Diese Befürchtung war einerseits sehr realistisch. Gerade dieses Bundesland ist dafür bekannt, daß man weder beim Land, noch bei einer Gemeinde Aussicht auf Anstellung hat, wenn man nicht Katholik ist. Und da der private Sektor in der Gegend, aus der er stammte, praktisch inexistent war und ist, so wäre ein Kirchenaustritt sicher eine riskante Sache gewesen.

Auf der anderen Seite war diese Befürchtung völlig unrealistisch. Joschi wollte sowieso nicht arbeiten, und im Waldviertel krähte außerdem kein Hahn nach ihm. Mit anderen Worten: da er über keine andere Qualifikation verfügte, hätte ihm die Mitgliedschaft in der Kirche auch nichts genützt.

Wenn die Kirche - ich kann nur von der katholischen reden, ich weiß nicht, ob es andere ähnlich betreiben - eine Zeitlang nichts von einem Mitglied hört, so nimmt der dafür Zuständige ganz selbstverständlich an, daß dieses Mitglied einer geregelten Beschäftigung nachgeht und gut verdient. Die Person wird daher eingestuft und die Zahlungsaufforderung an die Adresse geschickt, an der der oder die Betreffende gemeldet ist.

Und so kamen auf einmal Rechnungen ins Haus geflattert, nach denen Joschi mindestens Filialleiter einer Bank oder Abteilungsleiter eines größeren Betriebes hätte sein müssen. Wir hätten die Sache natürlich auf sich beruhen lassen können und warten, bis sie einen Exekutor vorbeischicken. Joschi war dadurch, daß er bei mir nur Mitbewohner war, nicht exekutierbar. Da ich Hauptmieter war und nach meiner eigenen Aussage alles in der Wohnung Befindliche mein Eigentum war, konnte auch die Tür nicht aufgebrochen werden. Ich hätte dann auf Besitzstörung klagen können, sogar auf Einbruch. Ich hatte ja keine Schulden.

Aber ich war gerade von einem Urlaub in Polen zurückgekommen und hatte noch ein paar Zloty-Scheine bei mir. Wir schrieben einen hübschen Brief - mit Schreibmaschine! - in dem Joschi bedauerte, seiner Zahlungsverpflichtung nicht nachkommen zu können, da er arm wie eine Kirchenmaus sei. Er verdiene nicht einmal annähernd so viel, wie die Kirche von ihm als monatlichen Beitrag einheben wolle. Nebenbei ließen wir einfließen, daß er nur Mitbewohner in einer 33-Quadratmeter-Wohnung sei und nur aufgrund der Gnade der Mieterin überhaupt ein Dach über dem Kopf hätte.

Aber um seinen guten Willen zu beweisen, sei er dennoch bereit, einen kleinen Beitrag zu leisten. In Zloty, die der Papst doch sicher gut brauchen könne. Zur Finanzierung etwaiger Reisen in sein Heimatland, das seiner ja dringend bedürfe.

Das war im Jahr 1984, im Jahr nach der Aufhebung des Kriegsrechtes in Polen.

Die Kirchenbeitragsstelle beantwortete den Brief! Sie schickte uns die Zloty zurück mit der Bemerkung, daß Papstreisen nicht aus Spenden finanziert würden. Und schickte - zumindest solange Joschi bei mir wohnte - keine weiteren Zahlungsaufforderungen.

 
© BücherWiki Community bzw. die jeweiligen Autoren zuletzt geändert am March 8, 2009