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Fonjakova Ella

Ella Fonjakova, 1934 in Leningrad geboren, wuchs in einer Künstler-familie auf. Die Mutter war Musikwissenschaftlerin am Institut für Theater und Musik, der Vater Rezitator und Schauspieler. Sie und ihre Familie überlebten die 900 Tage der Leningrader Blockade. Später wurden die Eindrücke und Tagebuchaufzeichnungen dieser Zeit zur Grundlage der vorliegenden Erzählung. Nach dem Studium der Journalistik an der Leningrader Universität lebte und arbeitete die Autorin viele Jahre gemeinsam mit ihrem Mann in Novosibirsk – dem Zentrum Westsibiriens. Sie veröffentlichte Beiträge, Rezensionen, Essays, Erzählungen und Theaterstücke, die immer wieder aufgeführt und gesendet wurden. Seit 1974 lebt sie wieder in ihrer Heimatstadt, dem heutigen St. Petersburg. Die Autorin, die auch als Malerin arbeitet, hat ihre Arbeiten in über 30 Ausstellungen in Russland und im Ausland vorgestellt.


Ella Fonjakova
Das Brot jener Jahre
Ein Kind erlebt die Leningrader Blockade
Aus dem Russischen von Sophia Klöpzig
Einführung und historischer Überblick von Heidelore Kluge
Verlag Johannes M. Mayer, 216 Seiten, geb., ISBN 3-932386-31-0
EUR 19,80 (D) / 20,50 (A) / sFr 35,70

»Dieses Bekenntnisbuch zu lesen, würgt den deutschen Leser immer noch in der Kehle.« Rupert Neudeck

Wie übersteht ein Kind die Tragödie der 900 Tage andauernden Leningrader Blockade? Die Jahre 1941/1942 waren für Leningrad die schwersten und tragischsten seit Menschengedenken. Woran liegt es, dass es so wenig bekannte und allgemein zugängliche Literatur über die Ereignisse der Leningrader Blockade gibt? Warum ist dieser Begriff kaum einem Menschen im Westen geläufig? Während der 900 Tage andauernden Belagerung, vor allem im Winter 1941/42, starben in Leningrad mehr Menschen als je zuvor in einer modernen Stadt. Schätzungsweise waren es mehr als zehnmal so viel wie nach dem Atombombenabwurf über Hiroshima. Eine allgemein zugängliche Schilderung der Ereignisse fehlt. Deshalb sind die Kindheitserinnerungen Ella Fonjakovas auch von großer historischer Bedeutung!

Hier berichtet eine Betroffene, wie sie die Belagerung erfahren hat. Am 9. September 1941 befiehlt Marschall Woroschilow im Auftrag Stalins: »Das rote Leningrad muss sich bis zum Letzten verteidigen und seine Kriegsindustrie in Gang halten.« In der zweiten Septemberwoche 1941 bewegt sich die Heeresgruppe Nord auf Leningrad zu, um der Stadt den »Todesstoß« zu versetzten. Im Oktober beginnt der große Hunger. Die Versorgungslage ist dramatisch. Die Menschen sterben im Schlaf und auf offener Straße, ihre Leichen blieben tagelang liegen, so wie die Körper zu Boden gestürzt waren. Währenddessen wird Leningrad pausenlos bombardiert. Konnte der Hunger noch schlimmer werden? Ja. Die Leningrader reißen Tapeten von den Wänden und kratzen den angetrockneten, aus Kartoffelmehl hergestellten Kleister davon ab. Sie kochen Gürtel und Taschen aus Leder aus, um die eiweißreichen, tierischen Nährstoffe daraus zu gewinnen. Ende November 1941 sind bereits mehr als 11.000 an den Folgen des Hungers gestorben. Die Rationen betragen nur noch zwischen 125 g und 300 g pro Tag, und die Temperaturen sanken auf minus 20 Grad. Allein im Dezember 1941 starben 53.000 Menschen.

Was das tägliche Brot vor allem im ersten Blockadewinter bedeutete, erfährt der Leser hautnah, aber auch dies: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein! Dimitri Schostakowitsch komponierte für die Eingeschlossenen seine große Siebte – die »Leningrader Symphonie«. Auch das war Brot.

Wie überlebt ein Kind dieses Inferno? Lebendige Kunst und Geborgenheit waren stärker als Tod und Vernichtung.


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© BücherWiki Community bzw. die jeweiligen Autoren zuletzt geändert am December 8, 2008