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Galina Ustvolskaja

Russische Komponistin - geboren am 17.06.1919 in Petrograd

“Alle diejenigen, die meine Musik wirklich lieben, bitte ich, auf eine theoretische Analyse zu verzichten...” (Galina Ustwolskaja)


Leben & Werk


Explodierende Sonnen
Galina Ustvolskaja zum 86. Geburtstag am 17. Juni 2005

das Weltraumteleskop "Hubble" ging dieser Tage das spektakuläre Foto einer explodierenden Supernova von etwa 50-facher Sonnenmasse um die Welt. Wollte man dieses Bild mit Musik unterlegen, bliebe wohl nur die Musik der russischen Komponistin Galina Ustwolskaja als einzig geeignete Annäherung; der "Walkürenritt" wäre ein feiner Windeshauch dagegen, und die "Star Wars"-Filmmusik wäre vergleichsweise besser in einer "Tom & Jerry"-Folge aufgehoben. Rätselhaft erscheint alles an dieser unerhörten Musik, und doch wirkt sie direkt und ohne Umschweife auf den Hörer, man versteht sie in einem gleichsam intuitiven Sinne und weiß doch nicht, was eigentlich geschieht.

Wer ist sie, diese Frau, von der es nur wenige Fotos gibt (auf diesen wirkt sie erschreckend "normal", "einfach"), diese Frau, die ihre Heimatstadt St. Petersburg fast nie verlassen hat, die von ihrer Musik sagt, sie sei "von religiösem Geist erfüllt" und ihre Inspiration hänge nicht von ihr, sondern von Gott ab, was ist denn das für eine Musik, die doch überhaupt nicht "göttlich" klingt, weil sie so schwarz ist, tiefschwarz, schwärzer als schwarz und auch lauter als laut, sogar lauter als extrem laut? Ist Gott vielleicht schwarz und laut?

Es ist freilich nicht die pure Lautheit, die erschüttert. Es ist die Unerbittlichkeit, Aufrichtigkeit und Kompromisslosigkeit des Menschen, der diese Musik – man hat den Eindruck, schreiben muss. Der Mensch ist angesprochen, von einem Menschen, der Gewaltiges zu sagen hat. Und man muss sich hingeben, hat man sich einmal darauf eingelassen. Alles drängt zur "Schwelle", dem Übergang von dem, was wir wissen, zu dem, was wir noch nicht wissen dürfen, oder auch können. Galina Ustwolskaja säumt den Weg dorthin nicht mit Blumenkränzchen, wohligen Düften oder sanften Harmonien, um ihn angenehmer, erträglicher zu machen, sie zerstampft vielmehr alle zurücklehnend-genießen wollende Erwartung an Süßig- und andere Klebrigkeiten, macht den Schotter, die Felsen, Schlaglöcher des Weges sichtbar und fordert: "Diesen Weg musst du selbst gehen! Es kann dir niemand dabei helfen. (Ich bin ihn schon gegangen.)".

Wer einen Weg beschreitet, und dazu noch einen schweren, verspürt gewöhnlich keinerlei Neigung, darauf liegende Steine abzuwiegen oder den Einfallswinkel der wenigen Sonnenstrahlen nachzumessen. Der Wille zu gehen lässt keinen Raum dafür. Analysen würden das Gehen nicht nur aufhalten, sondern verhindern. Nur im Gehen lässt sich der Weg bewältigen; durch Betrachtung tut man keinen einzigen Schritt vorwärts – jedenfalls nicht auf diesem Weg. – Also keine Töne nachzählen, Intervallverhältnisse prüfen, die formalen Proportionen auf eine klare Formel bringen (den Goldenen Schnitt zum Beispiel, das wäre doch schön, wenigstens eine Primzahlfolge ...)? Genau. Die Komponistin bittet sogar darum: “Alle diejenigen, die meine Musik wirklich lieben, bitte ich, auf eine theoretische Analyse zu verzichten". Sollte man diese Bitte nicht ernst nehmen?

(Es fällt schwer sich vorzustellen, diese Musik lieben zu können. Es muss eine besondere Art zu lieben gemeint sein: sich unbedingt und selbst gewählt mit aller Kraft etwas zuwenden, das man als notwendig empfindet.)

Galina Ustvolskaja beraubt und beschenkt uns zugleich. Das ist mutig. Noch mutiger, wer ihre Musik hört.

Quelle:


Literaturempfehlung:

O. Gladkowa
Galina Ustwolskaja
- Musik als magische Kraft
XIV + 157 S.[mit ausführlichem Werkverzeichnis und Diskographie]
kart., 3-928864-77-7, EUR 29,95 / sfr 59,80

Webseite der Autorin Olga Gladkowa

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