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Grossman Wassili

Wassili Grossman, 1905 in Berditschew, Ukraine, geboren, war zunächst Chemieingenieur. Als einer der bekanntesten linientreuen sowjetischen Schriftsteller erlebte er den „Vaterländischen“ Krieg als Korrespondent der Armeezeitung Roter Stern, sah sich aber nach Kriegsende heftigen Angriffen ausgesetzt. Das Manuskript von Leben und Schicksal wurde 1961 beschlagnahmt, drei Jahre später starb Grossman. Die russische Originalausgabe erschien 1980 in Lausanne, die deutsche Erstausgabe 1984. Neben Leben und Schicksal hinterließ Wassili Grossman zahlreiche Novellen und Erzählungen. (Claassen-Verlag)


Wassili Grossman
Tiergarten - Erzählungen
Aus dem Russischen von Katharina Narbutovič, Originaltitel: Wsjo tetschot. Posdnjaja prosa Claassen 2009, 320 S., geb., ISBN-10: 354600437x, ISBN-13: 9783546004374, € 24,90 [D], € 25,60 [A], sFr 44,90

Vom Staunen über das Glück, am Leben zu sein.

Nach der viel beachteten Neuauflage von Wassili Grossmans bedeutendem Stalingrad-Epos Leben und Schicksal sind seine Erzählungen, die hier zum ersten Mal auf Deutsch erscheinen, eine große Entdeckung. Er hat in ihnen alle Tragödien des 20. Jahrhunderts, die er als Zeitgenosse miterlebt hat, literarisch verarbeitet - vom russischen Bürgerkrieg bis zum Abwurf der Atombombe.

Im Berliner Zoo kümmert sich kurz vor Kriegsende ein Mann, der seine gesamte Familie verloren hat, aufopfernd um die arglosen Tiere. Wie in der Titelgeschichte hat Wassili Grossman in fast all seinen zwischen 1940 und 1963 entstandenen Erzählungen Tieren eine symbolische Rolle zugeteilt. Ob ein italienisches Maultier, das 1941 in den Krieg ziehen, oder ein Straßenhund, der als Versuchstier für die Raumfahrt herhalten muss, in ihrem unschuldigen Dasein spiegeln sie den Menschen als Opfer sowie seine die Fähigkeit zu Liebe, Verantwortung und Mitleid. Geprägt vom tiefen Glauben an die menschliche Güte, lässt Wassili Grossman auch auf kleinstem Raum ganze Lebenswelten vor unserem inneren Auge entstehen und zeigt die große Kunst seines Erzählens.

Rezension dradio (Auszug): " ... Wassili Grossman (1905-1964) begann seine Autorenkarriere in den Dreißiger Jahren als gläubiger Kommunist. Er war jedoch nicht in der Lage, sich mit theoretischen Überzeugungen zu begnügen. Er suchte die "Wahrheit" und die konkrete Erfahrung. Und fühlte sich als literarischer Zeitzeuge und Kriegsberichterstatter verpflichtet, ungeschönt von dem zu schreiben, was er sah und erlebte.

Dazu gehörten die Maschinerie des Terrors unter Stalin und das Grauen von Treblinka, die unsäglichen Opfer des Krieges gegen Hitlerdeutschland und der Kampf um Stalingrad, dem er das große Epos "Leben und Schicksal" widmete, ein Roman, der auch im poststalinistischen Russland keine Chance hatte und erst lange nach dem Tod des Autors zum weltliterarischen Ereignis wurde.

Nun sind in deutscher Übersetzung 15 Erzählungen von Grossman erschienen, die die Arbeit am Roman begleiteten. Alle schildern sie aufrüttelnde Begegnungen mit dem "Drama des Lebens": Alter, Krankheit, Tod; moralische Verfehlungen kommen hinzu. Interessant ist immer wieder die Darstellung des erheblichen sozialen Gefälles innerhalb der vermeintlich klassenlosen Sowjetgesellschaft. Eliten aus Kunst und Wissenschaft, Medizin und Verwaltung schotten sich mit ihrem beinahe "westlichen" Lebensstil ab vom Volk, dessen Grobschlächtigkeit sie allenfalls poetisch verklären ... "


Wassili Grossman
Leben und Schicksal
Claassen Verlag August 2007, 1088 Seiten, geb.
Aus dem Russischen von Annelore Nitschke, Originaltitel: Life and Fate
€ 24,90 [D], € 25,60 [A], sFr 44,90
ISBN-10: 3546004159 - ISBN-13: 9783546004152

Wassili Grossmans Gesellschaftsepos über die Schlacht um Stalingrad ist wie Tolstois Krieg und Frieden eines der wichtigsten Werke der russischen Literatur – ein Meisterwerk, durchdrungen von enormer erzählerischer Kraft, von tiefer Einfühlung in die Leiden der Opfer und einer umfassenden Erkenntnis über die Mechanismen hinter der Tragödie des 20. Jahrhunderts.

Als Anfang Februar 1943 die 6. deutsche Armee in Stalingrad kapituliert, bedeutet dies nicht nur die Wende im Zweiten Weltkrieg, für die Sowjets ist Stalingrad auch ein Wendepunkt in ihrem Verhältnis zu Diktatur und Terror. Mit großer Anteilnahme beschwört Wassili Grossman Episoden aus dem Kampf an der Wolga, erzählt vom Häftlingsleben und -sterben in deutschen KZ, Gefangenenlagern und in den sowjetischen Gulags (siehe GulagBücher), wobei die frappierende Verwandtschaft von Nationalsozialismus und Sowjetregime offengelegt wird. Ob der Physiker Strum und die weitverzweigte Stalingrader Familie Schapownikow, der in einem deutschen Lager inhaftierte Michail Mostoskoi, die deutschen und sowjetischen Militärs, Wissenschaftler, Soldaten und Bürger – Wassili Grossman hat die vielen Einzelschicksale zu einem groß angelegten Erzählkosmos verwoben, der trotz der Schrecken des Totalitarismus von der einen Hoffnung nicht lässt: der einfachen menschliche Güte, die selbst dann ihre Wirkung zeigt, wenn die äußeren Ereignisse gleichgültig und brutal über sie hinweggehen.

"Ich bitte um Freiheit für mein Buch!" Mit diesem verzweifelten Appell endete der Brief des russischen Schriftstellers Wassili Grossman an den Stalin nachfolgenden Parteichef Nikita Chruschtschow im Frühjahr 1962. Ein Jahr zuvor hatte sich in der leidgeprüften sowjetischen Literaturgeschichte ein besonderer Fall ereignet: Grossmans Buch "Leben und Schicksal" wurde - ebenso wie Michail Bulgakows (MichailBulgakow) Roman "Hundeherz" - wie ein lebendiger Mensch verhaftet. Chruschtschow aber begnadigte den "Häftling" nicht. Im Gegenteil: Seinem Autor warf er "eine unverschämte Verzerrung der sowjetischen Realität" vor.

Wassili Semenovish Grossman (1905-1964), der eigentlich Josef Salomonovich hieß und bereits als Student seinen Vor- und Vatersnamen ändern lassen musste, damit er nicht allzu jüdisch klang, verletzte mit dem Roman "Leben und Schicksal" mehrere Tabus der Stalin- und Nachstalinzeit ... Auszug aus einem Artikel in der Berliner Morgenpost zu den Büchern von Grossman und SchalamowWarlam

Das letzte Epos
Wassili Grossmans Stalingrad-Roman «Leben und Schicksal» wagt sich an sowjetische Tabuthemen
Von Ulrich M. Schmid

Wassili Grossman (1905–1964) gehört nicht zu den bekannten Namen der modernen russischen Literatur. Und doch stammt aus seiner Feder ein atemberaubendes literarisches Werk, das bisher erst unzulänglich wahrgenommen wurde. Mit «Leben und Schicksal» verfasste Grossman in den fünfziger Jahren ein Stalingrad-Epos, das mit schonungsloser Offenheit alle schmerzlichen Themen der sowjetischen Kriegserfahrung anspricht.


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