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Von Unnützen Büchern

Sebastian Brant: Von unnützen Büchern

Im Narrentanz voran ich geh,
denn ich viel Bücher um mich seh,
die ich nit les und nit versteh.

Daß ich sitz voran in dem Schiff,
hat wahrlich ein' besondern Griff:
ohn Ursach ist das nit getan,
auf meine Librei kommt mirs an.
Von Büchern hab ich großen Hort,
versteht doch drin gar wenig Wort
und halt sie dennoch so in Ehren -
ich tu sogar den Fliegen wehren.
Von Wissenschaft man reden tut -
sprech ich: "Daheim steht sie sehr gut!"
Damit begnüg ich mich seit je,
daß ich viel Bücher um mich seh.
Ptolemäus für sich bestellt,
daß er all Bücher hätt der Welt,
und hielt das für ein' großen Schatz;
doch fand er nicht den rechten Satz,
noch konnt daraus belehren sich.
Ich hab viel Bücher auch um mich
und les doch ganz wenig darin.
Warum sollt ich ändern den Sinn,
beschweren mich mit Wissenslast?
Wer viel studiert, wird ein Phantast.
Ich halte mich für einen Herrn,
bezahl einen, der für mich lern.
Und habe ich doch ein' groben Sinn,
doch wenn ich bei Gelehrten bin,
so kann ich "ita" sprechen: "So".
Des deutschen Ordens bin ich froh,
denn ich gar wenig kann Latein;
ich weiß, daß vinum heißet Wein,
gucklus ein Gauch, stultus ein Tor
und daß ich heiß domne doctor.
Die Ohren sind verborgen mir,
man sähe sonst gleich des Müllers Tier.

Aus: Sebastian Brant: Das Narrenschiff, Leipzig 1979, S. 28-29


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