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Russische Weihnachten

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* Hinweise im Deutschland-Sibirien-Forum
* Informationen zum russischen Weihnachtsfest

siehe auch WeihnachtsZeit


Alles was Sie über Neujahr und Weihnachten in Rußland wissen sollten und wo Sie diese Informationen finden.

siehe auch WeihnachtsZeit


Weihnachten auf Russisch
Herausgeber/Redaktion: Kaminer, Olga
Ullstein Verlag GmbH 2007, geb., 249 Seiten
ISBN-10: 3-550-08701-2 - ISBN-13: 9783550087011 - EUR 16,00

AB NOVEMBER 2008 ALS TASCHENBUCH:
List-TB, 256 S., kt., ISBN-10: 3548608493, ISBN-13: 9783548608495
€ 7,95 [D], € 8,20 [A], sFr 14,90

Wenn es kalt wird in Russland und der Schnee die riesigen Weiten bedeckt, beginnt auch dort die Weihnachtszeit. Das war nicht immer so siebzig Jahre lang fand das christliche Fest nur im Verborgenen statt. Auch, aber nicht nur deshalb ist die russische Weihnachtsgeschichte etwas ganz Besonderes. Olga Kaminer spannt den Bogen von den Klassikern der Weltliteratur wie Dostojewskij, Tschechow und Saltykow bis zu den zeitgenössischen Autoren Wladimir Woinowitsch, Oleg Jurjew und Wladimir Kaminer. Dabei lässt sie uns Bekanntes wiederfinden und Neues entdecken. Sie selbst erzählt uns, weshalb man das Fest in ihrer Heimat inzwischen zweimal begeht und warum die Weihnachtserzählung dort erst viel später aufkam als anderswo. Eine wehmütige, anrührende und heitere Einstimmung auf die besinnlichen Tage des Jahres aus dem Land der eisigen Winter und großen Erzähler.

Von Gogol, Tschechow und Nabokov bis hin zu einer ganz neuen Erzählung von Wladimir Kaminer Olga Kaminer feiert Weihnachten mit uns und hat einige der schönsten Geschichten aus ihrer Heimat in diesem Band versammelt.

Olga Kaminer wurde auf Sachalin geboren und zog mit sechzehn Jahren nach Leningrad, heute St. Petersburg, wo sie Chemie studierte. 1990 wanderte sie nach Deutschland aus. Olga Kaminer lebt heute mit ihrem Mann, dem Schriftsteller Wladimir Kaminer, und ihren zwei Kindern in Berlin.

Weihnachten auf Russisch – was hat man sich darunter vorzustellen? Einmal ein Fest, welches nicht so ganz wie das Weihnachtsfest ist, das man traditionell in Deutschland kennt. Zum anderen aber auch, und dies ist viel interessanter, da relevanter, im vorliegenden Fall einen Sammelband mit russischen Weihnachtsgeschichten. Olga Kaminer, die Ehefrau des doch recht bekannten russischstämmigen Autors Wladimir Kaminer, leitet in diesen, von ihr herausgegebenen Band, mit einer kurzen Darstellung des russischen Weihnachtsfestes ein. Einerseits geht es um die Ersetzung heidnischer Bräuche durch christlich-orthodoxe Festlichkeiten, zum anderen aber auch um das Genre der Weihnachtsgeschichte. Entwickelte sich doch diese in Russland als eine bestimmte literarischer Erzählung, die mit magischen Elementen verwoben war und am Ende den beteiligten Personen etwas Gutes geschehen ließ. Ein echtes Weihnachtswunder als Happy End. Irgendwann überholte sich diese Form und führte zu ihrer eigenen Parodie, bevor dann unter sowjetischer Herrschaft Weihnachten ein anderes Bild annahm, was sich auch in den Weihnachtsgeschichten reflektierte, was wiederum nach dem Zerfall der Sowjetunion einen erneuten Wandel weihnachtsgeschichtlichen Erzählens mit sich brachte. Das, was Olga Kaminer in diesem Band vorgelegt hat, ist eine interessante Übersicht über russische Weihnachtsgeschichten, und zwar im Spiegel der sich wandelnden Zeit. Russland im Wandel der Zeit wird literarisch reflektiert, ebenso aber auch die russische Literatur. Was vor allem bei Autoren wie Vladimir Nabokov und Wladimir Kaminer ersichtlich wird. Beide schrieben ihre jeweiligen Erzählungen nicht in Russland, Kaminer selbst lässt seine Geschichte nicht einmal in Russland spielen. Nabokov schrieb sie als Exilant, sodass auch dies eine ganz eigene Sichtweise auf die russische Weihnacht mit sich bringt, bisweilen sogar kritische politische Töne.

Soweit der Vorrede, relevanter als das Konzept des Buches erscheinen mir aber die eigentlichen Erzählungen die abgedruckt sind ...


Babuschka findet das Christkind
Stuttgart: Matthias-Film, 2005
22 Farbdias + 1 Bilderbuch (Bu 06/588), 1 Methodisches Begleitheft inklusive englischem Bilderbuchtext - (Bilderbuchkino); Bilderbuch ; Weihnachten ; Liebe ; Gemeinschaft

Die kugelige alte Babuschka lebt ganz allein in ihrem gemütlichen Häuschen. Und vielleicht lent es sie von ihrer Einsamkeit ab, dass sie ständig alles blitzblank putzt. Eines Nachts erstrahlt ein ungewöhnlicher Stern am Himmel. Und gleich darauf kriegt Babuschka Besuch: erst ein Engel, dann die Heiligen drei Könige. Alle sind sie auf der Suche nach dem im Stall geborenen Kind.

Da macht sich auch Babuschka mit Geschenken auf den Weg. Gutmütig wie sie ist, gibt sie alles schon unterwegs her. Doch bei Maria im Stall angelangt, erfährt sie, dass sie alles, was sie auf ihrem Weg von Herzen anderen überlassen hatte, auch dem Kind in der Krippe schenkte. Das Baby in den Armen haltend, spürt Babuschka, was wirklich zählt im Leben und fühlt sich zum ersten Mal seit langem wieder glücklich.

In einfacher Sprache erzählt Sandra Ann Horn von den Grillen einer alten Frau, die Dank des Jesuskindes ihr Herz wieder zu öffnen vermag. Die schönen naiven Zeichnungen von Sophie Fatus mit ihren pastelligen Farbtönen erinnern an volkstümliche russische Malerei. Zumal sie die Gegenstände in betonter Eindimensionalität aufs Papier zaubert, was zu lustigen perspektivischen Irritationen führt. Ab 3 J.

Bilderbuch: Pattloch Verlag, 32 S., 26,0 x 23,0 cm, laminierter Pappband
ISBN 3-629-01347-3, ISBN-13: 978-3-629-01347-7, EUR (D) 12,90


Fjodr Michailowitsch Dostojewski
Christbaum und Hochzeit
Aus den Aufzeichnungen eines Unbekannten

siehe auch Dostoevskij


Vater Martin
LewTolstoj

In einem russischen Dorf lebte einst ein alter Schuhmacher, der Martin hiess. Die Leute aber nannten ihn immer nur «Vater Martin», weil ihn alle sehr gern hatten.

Vater Martin wohnte in einem kleinen Zimmer, das nur ein einziges Fenster hatte, durch das er die Leute beobachten konnte: Hier arbeitete er, hier kochte er und hier schlief er.

Da seine alte Frau und seine beiden Kinder schon gestorben waren, war am Abend, nach getaner Arbeit, seine liebste Beschäftigung das Lesen der Bibel, des einzigen Buches, das er besass. Daraus schöpfte er immer wieder Frieden, Freude und Trost. Am liebsten las er die Frohe Botschaft, die der Evangelist Lukas niedergeschrieben hatte, weil dieser es wie kein anderer verstand, die Liebe und die Güte des Herrn Jesus zu schildern.

Vater Martin schlug das Lukas-Evangelium auf und dabei fielen seine Augen auf die Worte: «Und Jesus wandte sich zur Frau und sagte: Siehst du diese Frau da, Simon? Ich kam in dein Haus und du hast mir kein Wasser für meine Füsse gegeben. Sie aber hat meine Füsse mit ihren Tränen benetzt und mit ihren Haaren getrocknet. Du hast mir keinen Kuss gegeben, sie aber hat, seit ich hier bin, unaufhörlich meine Füsse geküsst!» (Lk 7,36)

Diese Worte gingen dem Vater Martin tief zu Herzen. Vater Martin nahm seine Brille ab und überlegte, was er Jesus schenken würde, wenn er zu ihm käme. Da fiel ihm ein, dass er in seinem Wandregal eine verschnürte Schachtel aufbewahrt hatte, in der sich zwei winzige Schühchen befanden. Es waren die besten Schuhe, die er je gemacht hatte: «Diese Schuhe würde ich Jesus schenken, wenn er zu mir käme; denn Besseres habe ich nicht», sagte er schliesslich leise vor sich hin.

Mit diesem Gedanken schlief er ein. Plötzlich hörte er eine Stimme leise an sein Ohr flüstern: «Vater Martin, schau morgen, am Heiligen Abend, den ganzen Tag auf die Strasse hinaus. Morgen will ich zu dir kommen. Pass aber ja gut auf, dass du mich nicht übersiehst und mich erkennst, denn ich werde dir nicht sagen, wer ich bin.» Dann war alles wieder ruhig. Vater Martin wachte auf, rieb sich die Augen und sagte: «Das war Jesus.» Obwohl er nicht wusste, ob er diese Worte nur im Traum oder in Wirklichkeit gehört hatte, war er glücklich, weil er nun wusste, dass ihn Jesus morgen besuchen würde.

Am nächsten Tag stand Vater Martin natürlich sehr früh auf und setzte sich ans Fenster an seine Arbeit. Er beobachtete alle Leute, die vorübergingen, um ja nicht Jesus zu übersehen. Vor seinem Fenster begann nun ein alter und schwächlicher Mann namens Stefanitsch den Schnee wegzuschaufeln. Man sah es ihm an, dass diese Arbeit viel zu schwer für ihn war und immer wieder musste er rasten. Vater Martin hatte Mitleid mit ihm und lud ihn zu einer Tasse Tee ein. Dankbar nahm Stefanitsch diese Einladung an.

Während sie miteinander Tee tranken, schaute Vater Martin immer wieder zum Fenster hinaus. «Du erwartest wohl jemanden?», fragte der Gast. «Störe ich?»

Vater Martin schüttelte den Kopf. «Hmm? Ob ich jemanden erwarte? Ja. Hast du schon einmal von Jesus gehört? Und der soll heute zu mir kommen», antwortete Vater Martin. Stefanitsch schüttelte ungläubig den Kopf und sagte nichts. Da erzählte ihm Vater Martin die ganze Geschichte. Als Stefanitsch gegangen war, setzte sich Vater Martin ans Fenster an seine Arbeit. Und immer wieder schaute er zum Fenster hinaus, wartete auf Jesus, dachte an ihn und seine Worte.

Nun ging eine ärmlich gekleidete Frau vorüber, die Vater Martin nicht kannte. Sie trug ein kleines Kind auf dem Arm und drückte es fest an sich, um ihm so etwas Wärme zu geben. Das Kind hatte nicht einmal Schuhe an. Sie selbst zitterte vor Kälte.

Vater Martin ging zur Tür und rief der Frau zu: «Kommt herein ihr zwei und wärmt euch ein wenig an meinem Ofen!» Die Frau wollte schon davonlaufen, aber da sie die gütigen Augen des alten Schuhmachers sah, schöpfte sie Vertrauen und folgte ihm ins warme Zimmer. Sie selbst nahm nichts zu essen an, war aber dankbar dafür, dass Vater Martin dem Kleinen Milch zu trinken gab. Die Frau wärmte sich nur am Ofen und erzählte dem Vater Martin, wer sie sei, woher sie komme und welch weiten Weg sie noch vor sich habe. «Und das Kind hat bei dieser Kälte nicht einmal Schuhe an?» «Woher soll ich sie nehmen? », antwortete die Frau niedergeschlagen.

Vater Martin stand auf, ging zum Wandregal und reichte der Frau die Schuhe, die er dort aufbewahrt hatte. «Da», sagte er und übergab der Frau die Schuhe. Die Frau brach in Tränen aus: «Wie kann ich ihnen das vergelten?»

Während sie dem Kind die Schuhe anpasste, stellte sich Vater Martin wieder ans Fenster und schaute hinaus. «Warum schaust du beim Fenster hinaus?», fragte die Frau. Da erzählte Vater Martin auch ihr die Geschichte. «Ich wünsche dir, dass dich der Herr heute besuchen kommt. Du verdienst es. Du warst so gut zu mir und meinem Kind.» Nach diesen Worten stand sie auf, dankte noch einmal und ging.

Vater Martin machte sich wieder an die Arbeit und beobachtete die Vorübergehenden. Stunden vergingen, und viele Menschen kamen an seinem Fenster vorbei, aber Jesus war nicht unter ihnen. Da packte Martin eine grosse Angst. Vielleicht ist Jesus schon vorbeigegangen und er hatte ihn nicht erkannt.

Mittlerweile war es dunkel geworden. Vater Martin zündete sein Lämpchen an und stellte es auf den Tisch, nahm die Bibel und wollte sie an derselben Stelle aufschlagen, an der er gestern zu lesen aufgehört hatte. Aber er fand die Stelle nicht mehr. Dafür öffnete er sie an einer anderen Stelle. «So war es also doch nur ein Traum», dachte er, und dicke Tränen rannen ihm über die Wangen. «Ich wollte doch so sehr, dass Jesus bei mir vorbeikäme!»

Kaum hatte Vater Martin das gesagt, da schien ihm, als ginge jemand hinter ihm. Er sah sich um: Da war es, als stünden Menschen in der dunklen Ecke, aber er konnte sie nicht erkennen.

Und eine Stimme flüsterte ihm ins Ohr: «Vater Martin, hast du mich nicht erkannt?» «Wen denn?», fragte Vater Martin. «Mich, Jesus», sagte die Stimme. «Ich war es doch!» Und aus der stillen Ecke trat Stefanitsch, der alte Schneeschöpfer, lächelte und verschwand wieder. ... «Auch das war ich», sagte die Stimme. Und aus der dunklen Ecke trat die Frau mit dem Kind, und beide lächelten und verschwanden wieder.

Und nun erfüllte eine grosse unbeschreibliche Freude das Herz von Vater Martin. Schnell setzte Vater Martin seine Brille auf und las auf der aufgeschlagenen Seite des Buches: «Denn ich war hungrig und ihr habt mich gespeist. Ich war durstig und ihr habt mir zu trinken gegeben. Ich war fremd und ihr habt mich beherbergt. ... Was ihr einem meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan» (Mt 25, 35.40).

Da erkannte Vater Martin, dass er nicht betrogen worden war. Jesus war an diesem Tag wirklich zu ihm gekommen, und Vater Martin hatte ihn aufgenommen.


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© BücherWiki Community bzw. die jeweiligen Autoren zuletzt geändert am 15. November 2008