Think Global Act Local Workshop

Gerhard, kannst du mir mehr über Euer ThinkGlobalActLocalWorkshop erzählen? -- HelmutLeitner


"Think global, act local"

Tja, eigentlich ganz einfach ... ein Beispiel:

Warum Äpfel aus Argentinien kaufen, wenn der Bauer nebenan Äpfel verkauft?

Liest sich einfach, erscheint einfach, und ist doch nicht ganz einfach. "Subsidiarität" ist so ein Fremdwort, das in diese Kategorie gehört: Erst die Eigenversorgung, dann den Überschuss an andere weitergeben. Liest sich auch ganz einfach, und ist doch nicht so einfach zu verwirklichen.

"Wirtschaft" beruht zur Zeit darauf, Güter aller Art auf andere Märkte zu drücken, und sei es mit Subventionen. Dafür nimmt "man" (wer immer das auch ist) in Kauf, dass andere ebenso verfahren. So ist es möglich, dass ich in Süddeutschland Milchprodukte aus Norddeutschland billiger einkaufen kann als "einheimische" Ware. Umgekehrt sieht es genauso aus. Doch wer bezahlt den Transport?

Europa produziert Nahrungsmittel im Überfluss, um sie in andere Regionen zu exportieren (gestützt durch Subventionen) und dafür Futtermittel für die Fleischproduktion zu importieren. Warum nicht mehr Futtermittel und weniger Nahrungsmittel produzieren? Warum arme Länder zwingen, billige Futtermittel für reiche Industrieländer statt Nahrungsmittel für den eigenen Bedarf zu produzieren?

Weiteres Beispiel:

In den südlichen Provinzen von Brasilien gilt "Orzamento participativo" - die Bürger verplanen die öffentlichen Ausgaben. Genauer: Nicht die gewählten Bürgervertreter vergeben die kommunalen Gelder nach ihrem Gusto, sondern die Bürger sagen jeweils, wofür die öffentlichen Gelder ausgegeben werden. Das Finanzvolumen einer Stadt wird nach Einwohnerzahl der Stadtteile aufgeteilt und die Bürger dann aufgefordert, zu bestimmen, wofür das Geld ausgegeben wird.

"Think global, act local" zielt nun darauf, lokal funktionierende Verfahrensweisen global bekannt zu machen, so dass sie lokal überall angeregt werden können. Das Ziel ist also, von anderen zu lernen, wo auch immer sie global beheimatet sind, und ihre Erkenntnisse lokal angepasst anzuwenden.

Die Frage ist nun, wie erfährt man etwas über Lösungen, die anderswo entwickelt wurden?

Und da kommst du daher und bietest Plattformen an, auf denen sich alle artikulieren können. Du machst das professionell, willst damit Geld verdienen, und verschenkst es zum Selbstkostenpreis (oder noch darunter) da, wo du es für richtig hältst. Warum fragst du denn, du hast es doch schon verstanden!

Gut, die Plattform ist nicht das einzige, aber ein wichtiger Baustein. Das Wiki ermöglicht den prinzipiell weltweiten Kontakt und Austausch, sofern sich jemand findet, Texte (und damit Erkenntnisse und Erfahrungen) in andere Sprachen zu übersetzen.

Gut, damit hat jeder die Möglichkeit, sich fremde Erfahrungen und Erkenntnisse zu eigen zu machen und umzusetzen, er muss es nur tun.

Das Problem ist nun, wie bekommt man eine saturierte, konsumorientierte Masse dazu, selbst zu denken statt denken zu lassen?

Unser Workshop soll nun dazu dienen, nicht fertige Konzepte zu liefern, sondern Denkansätze, auf denen lokal wirksame Konzepte aufbauen können.

-- GerhardSiegwart


...warum fragst du...

Danke für deine Antwort. Ich frage, weil ich viel weniger weiß, als ich gerne wüßte. Mich interessieren die Probleme, ich möchte aber auch erfahren, wie ihr Eurer Wissen vermittelt. Bei mir geht es oft darum, Menschen, die sich noch nie gesehen haben, möglichst schnell und effizient zu zeigen, dass sie auch über das Internet eine Gemeinschaft bilden können und dass sie daraus alle Vorteile haben. Die erste Hürde ist oft, dass man sich persönlich einbringt und seine Probleme und sein Nichtwissen auf den Tisch legt. Ist das bei Euch leicht? -- HelmutLeitner

Helmut, misch dich nur ein hier, daraus können nicht nur wir zwei etwas lernen.

"Die erste Hürde ist oft ..." die Erkenntnis, dass man nicht nur Konsument ist, sondern auch Akteur, eben "dass man sich persönlich einbringt". Nichtwissen, darüber verfüge ich zur Genüge, wie alle anderen auch.

Nehmen wir das Beispiel "Wiki", da es daran einiges zu erkennen gibt:

Das Internet als allgemeine Informationsplattform ist ja wohl weitgehend etabliert. Man ist gewohnt, benötigte Infos via Suchmaschine zu erhalten, man klickt sich durch die Seiten und liest.
Das ist es eben ... man ist daran gewohnt, zu lesen, zu konsumieren.
Und nun sowas: Da kann man auch selbst schreiben? Und das können andere lesen? Und genau da ist der Punkt, wo man seine Gedanken sortieren und in Worte fassen muss ... wo man sein Denken selbst überprüfen muss. Und Das ist der Punkt, der vielen schwerfällt, auch bei "uns".

Wir haben doch alle unser Weltbild, geprägt durch verschiedenste Einflüsse (Eltern, Schule, Freunde, ...). Und ein Wiki ist die Herausforderung, das eigene Weltbild auf den Prüfstand zu stellen. Anders als der Stammtisch in der Stammkneipe ist die Öffentlichkeit ungleich größer und dazu noch persönlich unbekannt. Da ist man doch gezwungen, nachzudenken, sich selbst zu hinterfragen, andere Sichtweisen zuzulassen.

Ganz klar, das Wiki bietet die Möglichkeit, eine Gemeinschaft der Individuen zu bilden, die sich austauscht und voneinander lernt. Man muss nur die Hemmschwelle überwinden.

(Telefonat mit einem, der sich nicht traute, auf den "Ändern"-Link zu klicken: "Und da brauche ich keine Registrierung mit Passwort?" - "Nein, einfach ändern, schreiben, speichern." - "Aber dann kann ja jeder ...!!!" - "Klar kann jeder, das ist der Sinn des Wiki." - "Was ist denn, wenn einer meinen Text verfälscht?" - "Wird keiner tun, höchstens etwas darunterschreiben. Und wenn, kannst du es selbst wieder reparieren." - ...)

So reagieren Menschen, die durchaus aktiv sind und sich in der Öffentlichkeit exponieren. Doch normale Öffentlichkeit ist überschaubar, die Öffentlichkeit des Wiki ist prinzipiell unbegrenzt. Und da liegt der Hemmschuh.

Morgen gehts weiter. Jetzt bin ich krank (fiebrig verschnupft) und müde.

Bis dann - GerhardSiegwart

Bist du wieder gesund? Ich hab in der Zwischenzeit ein bisschen nachgedacht.

Eine kurze Recherche im google über "Think global act local" hat eine unglaubliches Sammelsurium von Verwendungen in ganz unterschiedliche Zusammenhängen und für ganz verschieden Zwecke ("Hype" in jeder Form) ergeben.

Wenn ich dich richtig verstehe, dann bedeutet für euch TGAL das weltweite Sammeln, Verbreiten und Entwickeln von sozialen bzw. gesellschaftlichen Problemlösungen. Dabei fällt mir der Name Christopher Alexander ein. Kannst du mit dem Namen etwas anfangen?

-- HelmutLeitner

Habe mir einen Artikel aus dem Internet heruntergeladen übe Chr.A., sehr anregend, aufregend, muss ihn aber mehrmals lesen, bevor ich ganz dahinterstege.

Mit deienr Definition von TGAL hast du nicht ganz unrecht. Leider funktioniert deine Definition nur dann, wenn sich das TRIPS-Abkommen nicht einmischt und solche Problemlösungen unter Patentrecht stellt. Da ist also eine Korrespondenz mit deiner Auffassung von Offenem Wissen (Muss das Rad zweimal erfunden werden?).

Zurück zu "global":

Ziel der Globalisierung ist es, subsidiäre Lösungen zu unterbinden, da sie nach Auffassung der "Global Players" nicht effektiv sind.

So ist es deutschen Landwirten verboten, selbstgezogenes Saatgut zu verwenden, es sei denn, sie zahlen "Nachproduktionsgebüren" an die Züchter. Eigenzüchtungen der Landwirte, angepasst an lokale Verhältnisse, dürfen weder im Tausch noch burch Verkauf in den Verkehr gebracht werden, solange sie nicht zertifiziert sind. Die Richtlinien der Saatgutzertifizierung bestimmen die Saatgut-Konzerne (z.B. Monsanto).

Vergleich mit der Software (z.B. Wikis): Ich nehme mal an, du hast als nicht ganz unbegabter Software-Entwickler eines der freien Wikis genommen, es mit deinem Wissen bearbeitet und bringst es jetzt selbst in Verkehr (Verkauf bzw. Vermietung). Andere in anderen Regionen greifen auf das gleiche offene Wissen zurück und benutzen oder bieten gegen Geld Wikis an, die in der Grundstruktur dem Ur-Wiki gleichen oder zumindest ähneln, angepasst an die lokal vorhandenen Bedürfnisse.

Du gehörst also wie viele andere auch zu denen, die mit ihrer Arbeit am und mit frei zugänglichen Wissen (Weiterentwicklung, Ergänzung, Bereitstellung, Betreuung, ... ) das Geld verdienen, mit dem sie ihren Unterhalt bestreiten.

Nun gibt es ein Patent, das bidirektionale elektronische Kommunikation ziemlich allgemein beschreibt und unter Schutz stellt (echt ein US-Patent!!!), was nach weltweiter Umsetzung des TRIPS-Abkommens für dich und deinesgleichen bedeutet, dass ihr für eure Arbeit Lizenzgebühren zahlen dürft!

Das bedeutet: Jemand verdient ohne eigene Arbeit nur am patentrechtlichen Schutz eines von einem anderen entwickelten, bislang allgemein zugänglichen Vorgangs!!!

Lernen von anderen, Umsetzung und Weiterentwicklung nach lokalen Gegebenheiten, das soll damit zugunsten einiger weniger unterbunden werden.

Lernen nur nach Lizenzerwerb, Verbreitung des Gelernten verboten.

Die geplante Einführung der Triviallizenzen nach US-Vorbild auf EU-Ebene würde den Tod der Open Source bedeuten. und damit eine großen Teil der Software-Entwickler zugunsten eines Billy Gates vom Markt verdrängen.

(Fortsetzung folgt) - GerhardSiegwart

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