Acht Thesen |
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Themenbereich, der später zur Einrichtung des DorfWiki geführt hat.
Die folgenden Thesen sind eine Erläuterung zu dem was in DasDorf gesagt wurde. Vor allem die fünfte These bezieht sich auf die Relevanz für das Thema Online-Communities. Dennoch geht es hier primär um eine andere Art von Communities - eben "Offline Communities" -, und es war mir wichtig, die Interdependenz dieser 2 Formen einzubringen.
Der ländliche Raum als Siedlungsraum und Lebensraum verschwindet zunehmend aus dem öffentlichen Bewußtsein. Ein Indiz ist daß sich die UN-Konferenz über menschliche Siedlungsräume, die alle 10 Jahre abgehalten wird, fast ausschließlich mit dem Urbanisierungsprozeß beschäftigt und sich "World Urban Forum" nennt. Der Migrationsdruck der ländlichen Bevölkerung auf die Städte, wor allem in der 3. Welt, wird als eine unabänderliche, schicksalhafte Tatsache betrachtet. Im Jahr 2050 sollen siebeneinhalb Milliarden oder ungefähr 75% der Weltbevölkerung in Städten leben (derzeit 50%) , wobei über 90% dieser Wachstumstendenz aus Entwicklungsländern kommen. In Europa vergrößert sich, wenn auch nicht in diesem dramatischen Ausmaß, das Stadt-Land-Gefälle. Regionen im Einzugsbereich von Grosstädten und Ballungsräumen werden suburbanisiert, während periphere Regionen unter weiterhin progressiver Abwanderung und Strukturverfall zu leiden haben. Die folgenden Thesen verstehen sich als Prognose und Handlungsanleitung zugleich. Sie machen Tendenzen sichtbar, die aufgegriffen und verstärkt werden können. Sie verstehen sich nicht als Versuch der Detailkorrektur, sondern als Begründung und Bewußtmachung eines globalen Gegentrends zugleich. Nur wenn ein den Urbanisierungsversprechen ebenbürtiges Bild oder eine Vision des ländlichen Raumes entsteht, die in sich glaubhaft und plausibel eine Antwort auf die gewachsenen menschlichen Lebensbedürfnisse zu geben vermag, werden wir mit Projekten wie Alp-iVille ( http://www.idorf.de/wDeutsch/index.html) Erfolg haben. Das Einzelne kann nur als Teil oder Repräsentant eines Typus, eines Lebensstils, eines allgemeinen Traums wirklich Bestand erlangen. Dieser Traum aber muß aber aus den unaufgelösten Problemen der Zeit und aus den historischen Entwicklungsmöglichkeiten resultieren.
1. Die Entwicklung der menschlichen Siedlungsformen in der Gegenwart ist von einem skandalösen Paradox gekennzeichnet: in einem halben Jahrhundert sollen sich drei Viertel der Menschheit auf weniger als zwei Prozent der Landfläche zusammendrängen, während gleichzeitig Millionen von Quadratkilometern menschlicher Kulturlandschaft, in Jahrhunderten urbar gemacht und gepflegt, der schrittweisen Erosion und Zerstörung anheimfallen und weiterhin anheimfallen sollen. Wir gleichen den Bewohnern eines reichen Landgutes, die sich um die Inhalte einer kleinen Vorratskammer streiten und das Obst auf den Bäumen verrotten lassen. Wir machen einen äußerst schlechten Gebrauch von den Reichtümern unseres Planeten. Die städtische Lebens- und Existenzform erzwingt umgekehrt eine zunehmende gigantische Verschwendung an Ressourcen. Der Transport von Wasser, Energie und Rohstoffen zu den Orten ihrer Verwertung, der zunehmende Riesenhunger der Metropolen an Ressourcen lassen den ökologischen Fußabdruck der Städte überproportional anwachsen. Die Grenzkosten städtischen Lebens übersteigen jedes vernünftige Maß. Ein neues Leben im ländlichen Raum ist notwendig, das in jeder Hinsicht rationeller mit den immensen Ressourcen dieses Planeten umgeht, sie pflegt und vermehrt. Dieses Leben ist in sich sinnhafter als das Leben in einer künstlichen urbanen Scheinwelt, das seine Grundlagen zerstört. 2. Stadtluft macht frei, hieß es einmal. Doch die Versprechungen urbaner Lebensqualität und Verfeinerung sind in ihr alptraumhaftes Gegenteil umgeschlagen. Städte haben sich zu Häusermeeren ohne Ende gewandelt, sie machen zunehmend Mühe anstatt das Leben zu erleichtern. Ihr schiere Größe ist eine permanente Barriere für das menschliche Leben. Manche Städte gleichen schon feindlichen Umwelten, durch die man möglichst rasch hindurchflieht. Die Städte sind der Feind der Qualität geworden, alle sozialen und professionellen Interaktionen werden zu Dutzendware. Echte Professionalität, Originelles Denken und Selbstentfaltung gedeihen zunehmend dort, wo es auf den Einzelnen noch irgendwie ankommt: im ländlichen Raum, an der Peripherien. Dort wo der Mensch keine Nummer ist und nicht vielfach austauschbar, dort wird ihm auch Respekt entgegengebracht und dort kann er sich auch besser entfalten. Er muß aber deswegen nicht auf den Reichtum und die Fülle an Informationen verzichten, den die moderne Stadt hervorgebracht hat. Die Telekommunikation hat dieses Dilemma aufgelöst. Wir sind durch sie in der Lage, auf Wissen und Können vieler zurückzugreifen, wenn wir unsere Umwelt und unseren Lebensraum gestalten. 3. Vielleicht werden wir noch in einem anderen Sinne bald das Wort prägen, daß Landluft frei macht. Durch die kulturellen Begegnungen der Stadt, durch das angewachsene Wissen, durch die Kenntnis der tausenden Möglichkeiten des menschlichen Daseins ist das Bedürfnis nach reicherer Gestaltung und Entfaltung gewachsen. Landleben ist keine Plackerei mehr: Automation und die Fortschritte unseres Wissens über die Natur haben es möglich gemacht, in einem sehr viel tieferen Ausmaß eine Symbiose mit der Natur einzugehen als dies früher möglich war. Wo früher ganze Wälder abgeholzt werden mußten, um ein wenig Wärme in die Stube zu bringen, da vollbringen moderne Biomassetechnologien wahre Wunder an Effizienz. Wir erkennen den automatischen Reichtum, den das Kreislaufleben der Natur hervorbringt und sind erstmals in der Lage, ihn zu imitieren ohne daß unsere Hände permanent mechanisch zupacken müssen. Stattdessen haben wir Raum, Raum zu bauen und zu gestalten. Dieser Raum kann erfüllt werden mit all dem, was der Geist in den Städten gelernt hat. Er kann genauso komfortabel sein wie die Shopping malls. Wir bringen den Luxus zurück nach Hause, und wir finden endlich auch die Muße ihn zu genießen. Nicht wir sind für den Markt da, sondern der Markt wird wieder für uns da sein. Intelligente Städte werden sich finden, die auf dieses Bedürfnis dadurch antworten, daß sie das neue Leben im ländlichen Raum, nachhaltig und luxuriös, zum Zentrum ihrer Industrien und Denkfabriken machen. Diese Städte werden das 21. Jahrhundert überleben, und vielleicht werden wir sie eines Tages liebevoll "Mutterstädte" nennen, so wie wir heute noch vom "Vaterland" sprechen. 4. Nicht nur unsere Individualität kommt im ländlichen Raum zu ihrem Recht, sondern wir lernen wieder, diese Individualität in und durch Gemeinschaft zu leben. Jeder baut die Welt der anderen mit, und indem wir in jedem Menschen eine bestimmte Ausprägung unserer gemeinsamen Kultur, unseres gemeinsamen Wollens entdecke, wird unsere Welt ständig reicher. Individuation wird gemeinschaftsfähig, und wir entdecken endlich daß der Gegensatz von Individuum und Gesellschaft, der unser Denken und Fühlen bestimmt, nur der Alptraum von 300 Jahren ist, eines vorübergegangenen Moments in der Weltgeschichte. Gemeinschaften aber wollen Gestalt, Gestalt braucht Raum und Distanz, jedes Dorf hat sein Thema und diese Themen geben jedem Dorf sein eigenes, unverwechselbares Gepräge. Dörfer werden somit Individuen, und auf einer höheren Ebene wiederholen sie dieses Spiel, daß nur durch die Ausprägung der Individualität wahre Gemeinschaft entstehen kann. 5. Die städtischen Industrien der späten Selbstbedienungsgesellschaft haben die Grundlage geschaffen, Teile der Produktion wieder an die Peripherie zu verlagern, indem sie Intelligenz in den Werkzeugen verkörpern. Die in den Produkten unseres Alltags verkörperte und in ihnen eingebaute Intelligenz ist aber eine lebendige Intelligenz: sie ist kollektiver Geist, der sich in Bildern, Begriffen und Modellen äußert, die ständig verbessert, infragegestellt und ausgetauscht werden können und müssen. Das bestimmt nachhaltig die Form unserer Individualität in der dörflichen Gemeinschaft. Jeder von uns ist quasi Botschafter einer virtuellen Gemeinschaft, in der er seine Aufgabe, seine Berufung im Leben im ständigen Austausch mit Gleichgesinnten vertieft. Diese wiederum können über den ganzen Globus verteilt sein. Ein Arzt im Dorf, der eine Diagnose stellt, ist nicht durch sein momentanes Wissen beschränkt; er hat Partner, die ihm in jedem Moment helfen, seine Arbeit zu tun. Er greift auf spezialisierte Institutionen in den Städten ebenso zurück wie auf virtuelle Netzwerke seiner Kollegen. Wir repräsentieren als Individuen im dörflichen Leben eine Fülle der Kompetenz. 6. Ein breitbandiger und feinkörniger Zugang zu dieser globalen Sphäre der Arbeit, der Bildung, der Heilung, des Spiels und der Kreation, ein universeller telematischer Zugang mit universellen Realisationsmöglichkeiten ist der Kern eines zukünftigen Dorfes. Man könnte diesen Kern mit einer Bibliothek vergleichen, die auf jede Frage, die im lokalen Lebenskontext auftaucht, eine Antwort zu geben imstande ist. Dorferneuerung ist auch und primär geistige Dorferneuerung. Sie wird auch die Rolle der Kleinstädte neu definieren. 7. Landwirtschaft wird zur Kunst, Menschen eine attraktive Lebensumgebung zu schaffen. Der Landwirt wird Manager eines umfassenden nachhaltigen und überaus effizienten Stoffkreislaufes, er wird Gastgeber und Hausherr, der unaufdringlich und schrittweise andere an der Gestaltung des ganzen Hauses beteilgt. Der aus Gästen Zuzügler macht, aus Zuzüglern Partner, aus Partnern Neu- und Mitbürger. Die Entwicklung des ländlichen Raumes ist nur möglich durch die Initiative und Beteiligung der lokalen Bevölkerung dadurch daß sie die Chance erkennt, die dadurch entsteht, daß sie ihren Raum teilt. Es wird die Initiative von Menschen im städtischen und ländlichen Raum gemeinsam sein, die Voraussetzungen für dieses neue Bewußtsein von der Teilbarkeit des ländlichen Raumes zu schaffen. Eine Teilbarkeit, die nicht Zerstückelung bedeutet, sondern zivilisiertes Miteinander, ein intelligentes gemeinsames Nutzen auf vielen Ebenen. Der Dorfdialog wird ständig Verständnis für die verschiedenartigen Bedürfnisse schaffen müssen. Aber er wird auch ständig neue, unvorhersehbare, kreative Lösungen hervorbringen. 8. Das neue Dorf wird unendlich achtsam mit der Ressource Raum umgehen. Von der Stadt haben wir verdichtete Bauformen gelernt, am Lande werden sie nicht überflüssig. Das neue Dorf wird kompakt sein, fußläufig, es wird vom Raummanagement der Stadt lernen. Nicht Verhüttellung kann die Zukunft des ländlichen Raumes sein, sondern Integration. Einer Integration, die aber auf 2 Füßen steht: einer reichen Welt von Gemeinschaftseinrichtungen im Inneren und einer reichen Welt von Landschaft im Äußeren. In dieser äußeren Welt erfahren wir uns im Kontakt mit der Natur als die, die wir selbst sind. Wir befreien uns von den Zuschreibungen durch die Gesellschaft und finden zu unserem wahren Ich. Es kann keine geistige Gesundheit, keine Autonomie geben ohne die Möglichkeit des Eintauchens in die erhabene Stille der Natur. Dort schöpfen wir die Kraft und Freude, die wir anderen zukommen lassen.
Hier stand heute morgen noch eine heiße Diskussion, die jetzt mitsamt den wichtigen Argumenten abgetragen ist. Ich rekonstruiere das, was vielleicht wichtig war und zu den links überleitet. Es ging im wesentlichen darum, ob Globale Dörfer eine Fortsetzuing der Freizeitindustrie mit anderen Mitteln sind. Dagegen wandte ich ein: Globale Dörfer sind nicht "von oben" aufgesetzte Developments, sondern im Idealfall genossenschaftliche Unternehmen. Dazu gibts einen längeren Aufsatz; http://www.oekonux.de/texte/globdorf.html http://ejournal.thing.at/NeueMed/syntopia.html pdf- Version http://www.wissensnavigator.com/download/globale_doerfer.pdf inweiefern sich diese Vorstellungen im iDorf realisieren lassen werden, weiß ich schlicht noch nicht. Dazu wird es notwendig sein, so stark wie möglich die lokalen Akteure und Unternehmen aus dem lokalen Raum einzubeziehen (dem, was Christian Eigner die Spac-E-conomy nennt.)
Aus dieser Seite haben sich mehrere Diskussionsstränge ergeben: sie sind der Übersicht wegen auf mehrere Seiten verteilt.
Rainer Köppl hat einige Themen angerissen:
Ernst Gruber hat sich an der Formulierung gestoßen, das Dorf werde zum Individuum. Er vermutet darin einen Angriff auf Individualität und Selbstentfaltung
Roland Witsch stellt die Frage, wie sich "urbane Versorgung" im ländlichen Raum realisieren läßt:
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