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Diskussionsbeiträge 1 HelmutLeitner    

Ernst, meine Einstellung zur Realität kennst du ja, aber ich wiederhole sie gerne. Die Sicht der Realität scheint sich durch die philosophische und wissenschaftliche Geistesgeschichte wie eine unüberbrückbare Kluft zu ziehen (bin aber kein Spezialist für Philosophiegeschichte). Die einen meinen, die Realität entsteht in unseren Köpfen und es gibt außerhalb unserer Köpfe keine Realität. Die anderen meinen, die Realität ist unabhängig von unseren Köpfen und in unseren Köpfen entstehen oder konstruieren wir uns subjektive Bilder von der einen Realität. Beides hat Vor- und Nachteile und führt zu verschiedenen typischen Haltungen. Ganz grob könnte man die Vertreter als "Idealisten" und "Realisten" bezeichnen. Man könnte annehmen, dass das eventuell nur ein Begriffstreit wäre ("Was nennen wir Realität") aber es scheint doch mehr zu sein, weil es viele Folgeerscheinungen dieser Haltungen gibt, die auch ins ideologische Hineingehen. So lehnen viele (realistische) Naturwissenschaftler alles ab, was sie nicht messen oder beweisen können (was meiner Meinung nach dumm ist). So neigen viele (idealistische) Geisteswissenschaftler zu einem Relativismus, in dem alle Werte und Sichtweisen als unverbindlich und gleichwertig erscheinen (was meiner Meinung nach ebenso dumm ist). Ich bin an einem Modell interessiert, dass beide Sichtweisen erklärt und so miteinander verbindet, dass man diesen Spalt in Bezug auf reale Fragestellungen und Entscheidungen überbrücken kann. -- HelmutLeitner

Diskussionsbeiträge 2 HelmutLeitner    

"Mein Modell" kurz gefasst:

  • Es gibt eine Realität (im Sinne der Naturwissenschaft), die (großteils) außerhalb des wahrnehmenden Individuums angesiedelt ist. Wahrnehmungen, Gefühle und Bewusstsein sind aber genauso Teil dieser Realität, auch wenn sie normalerweise nicht untersucht und nachgewiesen werden können.
  • Weder die naturwissenschaftliche Methode (Messbarkeit, Theorien) noch die individuelle Erkenntnis (Wahrnehmung, Wissen, Erleuchtung) liefert mehr als Annäherungen an diese Realität. Manches kann als gesichert gelten - weil wir uns mehrheitlich darüber einig sind - aber nichts kann absoluten Wahrheitsanspruch genießen.
  • Wahrnehmungen und Weltanschauungen dienen uns zum Umgang mit der Realität. Ein Vergleich ist dort möglich, wo Aussagen wie "Wie kann man das verstehen?", "Was soll man tun?" oder "Was wird geschehen?" gemacht werden. Dort können sich Vorstellungen oder Theorien an der Realität bewähren und sie können auch versagen.
  • Theorien und Weltanschauungen sind nie ganz richtig oder ganz falsch, sondern haben relative Stärken und Schwächen. Sie als Ganzes beweisen oder wiederlegen zu wollen führt zu nichts brauchbarem. Es ist interessanter zu schauen, welche Ergebnisse sie in welchen Situationen liefern, wo sie zutreffend und hilfreich sind und wo nicht.
Das läuft daruf hinaus, dass unterschiedliche Sichtweisen berechtigt und natürlich sind, dass wir in unseren Wahrnehmungen und Anschauungen nie Sicherheit haben, immer nur dazu lernen können. Im Gegensatz zum "Recht haben" wollen, gibt dies Sinn, weil wir uns Schritt für Schritt besser verstehen und weil wir uns im Bemühen um das Verständnis der einen Realität auch letztlich menschlich und in der Sichtweise annähern (müssen). -- HelmutLeitner


Diskussionsbeiträge 3 Name: GerhardSiegwart    

HelmutLeitner lässt zielsicher eine Erklärung des Begriffes "Realität" aus. Das kann ich nachvollziehen, denn ich sehe nicht die eine objektive Realität, sondern viele subjektive (=individuelle) Realitäten. Damit ist für mich "Realität" nicht letztgültig zu definieren.

Was wir mit unseren Sinnen erfassen können, mit Hilfsmitteln erfassbar machen können, mit unserem Verstand nachvollziehen können, all das sind bestenfalls Ausschnitte aus der "objektiven" Realität, die wir zu unseren gültigen Realitäten machen. Realistisch betrachtet erschafft die Phantasie (Gegenpol oder Ergänzung) ständig neue, sich wandelnde Realitäten. Was gestern noch anerkannt "real" war, ist morgen bereits Märchen, Sage, Irrglaube.

Für mich ist die Verbindung und der Widerstreit zwischen Phantasie, Glauben und Wissen meine eigene, ganz persönliche Realität, die sich mit der anderer Individuen nur teilweise deckt, dafür teilweise mehr oder weniger stark abweicht oder gar widerspricht. Diese individuellen Sichtweisen ist nötig zur Orientierung in der gemeinsamen realen Welt.

In den Beiträgen von HelmutLeitner finde ich relativ viel Übereinstimmung mit meiner Realität, aber auch eine starke Abweichung: Weder die realistische noch die idealistische Sichtweise erscheinen mir erklärbar, denn dann wäre ja alles klar und die Begrifflichkeiten eindeutig festgelegt. Ein funktionsfähiges Modell beinhaltet für mich beides gleichberechtigt und keines absolut. Ich versuche meinen Weg zu gehen und meine Entscheidungen zu treffen als idealistischer Realist, in Diskussion mit dem realistischen Idealisten in mir. Der Spalt zwischen den beiden ist unüberbrückbar und macht das Leben spannend und menschlich. -- GerhardSiegwart

*Gerhard,danke für deinen persönlichen Beitrag.
*Frage:Kann nicht jedes Individuum selbst eine ~Brücke~ sein?


Diskussionsbeiträge 4 Name: Helmut,Ernst    

Ernst, danke für deine Ergänzungen. Ich glaube, ich verstehe jetzt besser auf was du hinauswillst.

Vielleicht wäre eine Änderung des Titels gut: z. B. in "Realität jenseits des Realismus". Damit könnte ich mich auch identifizieren.

Was "Realismus" betrifft, sollte man zwischen Alltags-Realismus und philosophischem Realismus unterscheiden.

Im Alltags-Realismus gehts den Menschen darum, nicht ihre Energie an - vielleicht unrealisierbare - Träume zu verschwenden, negativ wird das dann zu Mutlosigkeit und Pessimismus.

In der Philosophie geht es darum, in welcher Weise man sich einer Erkenntnis oder einer Selbsterkennnis annähern kann. Philosophischer Realismus sagt "wir haben eine Chance zu verstehen und Brücken zu bauen, weil wir in einer Realität leben", dagegen rückt dies im Konstruktivismus "jeder macht sich seine Realität im eigenen Kopf" in pessimistische, unerreichbare Ferne.

Ich finde man sieht auch schön, dass "Realität" und "Realismus" wie viele andere Begriffe nicht festgelegt und definiert werden können, sondern dass sie je nach der Denkhaltung ganz unterschiedliche Bedeutung annehmen und Emotionen auslösen.

-- HelmutLeitner

Das verstehe ich überhaupt nicht. Wenn dir ein Hammer auf die Zehen fällt, dann schreist du nicht, weil du dir gerade eine persönliche Realität schaffst, sondern weil dir deine biologischen Sinne eine objektive Realität mitteilen. Wenn du gewisse objektive Realitäten generell abweist, wirst du mit diesem Anteil der Realität schlecht zurecht kommen.

Was du als Mitgestaltung bezeichnest (warum Sündenböcke oder Helden?) ist nichts anderes als das Lernen von anderen, wie sie die Realität sehen und wie man aus ihrer Sicht mit der Realität (objektiv und subjektiv) umgehen kann. Objektive und subjektive Anteile vermischen sich ständig und man arbeitet ständig daran, sie auseinander zu halten. Wenn du dieses gemeinsame Lernen ablehnst, wirst du alle möglichen Schwierigkeiten haben. In der Kommunikation und im Leben.

Du bist in der Gefahr, deine individuelle Sicht der Realität anderen als ideologisches Programm aufzuzwingen. Nachdem du andere Sichtweisen nicht berücksichtigst, entsteht ein verengtes, absolutistisches Weltbild. Dieses hilft schon dir selbst nicht wirklich weiter und interessiert in seiner Ausgefallenheit vermutlich nur wenige. Die Schwierigkeiten verbirgst du hinter eine "Freude, Friede und Schneeflocken-Individualitäts-Fasade" - wer kann da schon dagegen sein? Aber deine Interessen und Bedürfnisse und subjektiven Wahrnehmungen dominieren dich und scheinen dich daran zu hindern, die Interessen und Bedürfnisse anderer Menschen angemessen wahrzunehmen. -- HelmutLeitner

Diskussionsbeiträge 5 Name:rainer    

Beitrag von Rainer auf RainerKöppl verschoben da er eine Zeilenverbreiterung auslöst,bitte dieses technische Dilemma zu entfernen.~ErnstGruber

Diskussionsbeiträge 6 Name:RainerNase?    

So ein schöner Satz, und schon isser weg. Also nochmal! Ich hatte es für die Realität gehalten, hier gerade einen Satz geschrieben zu haben. Nach der Vorschau stellte ich aber fest, dass es in der Realität doch anders war, der Satz war weg! Also nochmal!

Die Frage, ob ein Elementarteilchen nur existiert, wenn es beobachtet (gemessen) wird, habe ich für mich so beantwortet, dass nur die Wechselwirkung Realität ist. Nun stellt sich noch die Frage, ob diese "Erkenntnis" Auswirkungen auch im Makroskopischen hat. Es hat sich für mich als vorteilhaft herausgestellt, ein fahrendes Auto als real zu betrachten. Dadurch bin ich in der Lage, diesen Satz zu schreiben. Zumindest verspüre ich keine Lust, das Experiment zu wagen.


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