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Fundamentalismus


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  [leicht gekürzter Text aus NetzwerkGegenGewalt:FundamentalismusAlsAllgemeinesPhänomen]

Auch wenn Fundamentalismus heute vorwiegend religiös in Erscheinung tritt, so handelt es sich doch um eine allgemeine Umgangsform mit Ideen. Man findet Fundamentalismus auch häufig Online, in einer für andere Teilnehmer quälenden Form, etwa bei fanatischen Anhängern oder Gegnern von Programmiersprachen und Betriebssystemen, oder bei Esoterikern (ohne diese Bereiche besonders negativ herausstreichen zu wollen).

Betrachtet man Fundamentalismus abstrakt, so erscheint er als Flucht aus der Widersprüchlichkeit der Welt durch das Mittel der übertriebenen Vereinfachung.

Gemeinsam ist allen Formen des Fundamentalismus: Die Idee wird als absolutes Fundament der eigenen Weltanschauung auserkoren und fortan der Relativierung, dem Zweifel und der Überprüfung entzogen. Besonders gut eignen sich Ideen, die schriftlich vorliegen und als "Gesetzestext" wortwörtlich interpretierbar sind, sei es heilige Bücher (wie Bibel oder Koran), technische Standards (wie Java oder Windows) oder soziale Konzepte (wie das Kapital oder Copyleft).

Auch wenn sich aus der jeweiligen fundamentalistischen Idee kein Weltbild mit hoher Konsistenz oder Problemlösungspotential ergeben wird - der Fundamentalismus verspricht doch Sicherheit und Geborgenheit in einer Gemeinschaft Gleichgesinnter. Weiters winkt die Befreiung von der Angst, den Halt und die Orientierung in der Welt verloren zu haben.

Der fundamentalistische Gesetztestext (oder Bekennntis) dient dabei als Scheidemittel zwischen dem Guten und dem Bösen, wobei sich der Fundamentalist aus seiner Sicht durch seine Entscheidung zweifelsfrei im Guten verankert. Das Verfechten der fundamentalistischen Inhalte wird zu einer rituellen Glaubenshandlung, einem Akt der Loyalität, die dem Ausführenden - gerade auch im Leid des missionarisches Misserfolges - Heil verspricht.

Zunehmender Fundamentalismus in verschiedenen Bereichen deutet darauf hin, dass in einer komplexer werdenden Welt die erklärenden, verständnisvermittelnden und problemlösenden Elemente der Gesellschaft (Politik, Medien, Wissenschaft, Bildungseinrichtungen, Kirchen, Institutionen, ...) nicht wirkungsvoll genug sind, mit ihren Bildern und Visionen nicht ausreichend überzeugen können. Vermutlich weil diese Bilder nicht ausreichend ehrlich und gemeinschaftlich sind.

-- HelmutLeitner

Gibt es einen Unterschied zwischen Fanatismus und Fundamentalismus? -- Tim

Ich denke schon. Der Fanatiker ist durch eigene Erlebnisse emotionalisiert, ein glühender Aktivist, dem es vor allem auf das Handeln ankommt. Der Fundamentalist ist ein Mensch, der vor allem verstandesmäßige Sicherheit sucht, dem es meist schon genügt im Besitz der Wahrheit zu sein. Jemand kann gleichzeitig Fundamentalist und Fanatiker sein, aber häufiger scheint mir das eine oder das andere. Harmlosere Randformen wären der Fußballfanatiker (der keine abstrakte Wahrheit beansprucht) und der Buchstabenbürokrat (der keine Eigenaktivität entwickelt). -- HelmutLeitner 18. März 2005 16:08 CET

Hmmm, klingt ganz plausibel... statt "rationale Sicherheit" würde ich aber "argumentative Sicherheit" schreiben. Fundamentalismus ist für mich gelebte Ideologie, die versucht wird, auf andere zu übertragen. Der Anspruch, im alleinigen Besitz der Wahrheit zu sein, geht fast immer einher mit Irrationalität - Dinge werden einseitig wahrgenommen, Annahmen und Schlüsse so zurechtgestuzt, dass nur noch die eigenen Argumente als richtig gelten (können) - allenfalls auf individueller Ebene kann das dann noch als rational gelten... -- Tim

Du hast recht, das ist missverständlich. Ich hab's auf "verstandesmäßig" geändert. Mit rational meine ich nicht unbedingt, dass etwas richtig ist, sondern dass es mit Mittel des Verstandes (Kopf, Denken) geschieht. -- HelmutLeitner

Ja, der Begriff ist recht vielschichtig, aber so ist's besser -- Tim