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Helmut Leitner / Thesen Zum Austausch


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  (übertragen aus dem eingestellten Wiki "Gesunde Erde Gesunde Menschen")

HelmutLeitner: Kürzlich hat sich mit FranzNahrada ein Diskurs um Wirtschaftsthemen um den Begriff "Austausch" entwickelt, dessen aktuelle Inkarnation meiner Position hier in kurzen Thesen zusammengefasst sind. Es geht darum, Wirtschaft einmal anders als von konventionellen Perspektiven und Gegenperspektiven aus zu betrachten. (es kommen in diesen Thesen die Begriffe Geld und Kapital nicht vor)

Die grundsätzlichen Begriffe der Wirtschaft:

0. Wirtschaft ist nicht essentiell die Befriedigung von Bedürfnissen. (sonst wäre das Pflücken und Verspeisen einer wilden Heidelbeere schon Wirtschaft. Das Bild von Wirtschaft als Bedürfnisbefriedigung entspricht einer Selbst-Idealisierung und einer Unabhängigstellung im Eigeninteresse.)

1. Wirtschaft ist die - für uns heute unausweichliche - Organisation von Arbeitsteilung. (das bedeutet, Gemeinschaften / Gesellschaften / Staaten / Staatengemeinschaften sind Grundlage von Wirtschaft; Wirtschaft ist kein von solchen Gemeinschaften ontologisch unabhängiges Phänomen, es ist keinesfalls grundlegender. Arbeitslosigkeit ist somit kein Randphänomen, womöglich eines für das ein Individuum selbst verantwortlich ist, sondern weist auf ein Versagen der Gemeinschaft.).

2. Der grundlegende Aspekt der Arbeitsteilung ist der Austausch. Austausch ist hier als ein rein technischer Begriff gemeint. Austausch ist nicht schon Tausch, hat auch nichts mit Handel oder Geschäft zu tun. (z. B. findet Austausch auf allen Ebenen des Lebens, schon in den Zellen statt)

3. Der bewusste oder geplante Austausch heißt Kooperation. Kooperation ist fundamental für das Leben und allgegenwärtig. (z. B. ist Kommunikation eine Kooperation durch Austausch von Information)

4. Grund für Arbeitsteilung und Kooperation ist die Synergie, der insgesamt entstehende Vorteil aus Arbeitsteilung.

5. Dazu gibt es vier Perspektiven: die beiden Partner "Partner A" und "Partner B", die "Partnerschaft" und die "Gesamtheit". Die ideale Kooperation bringt Nutzen für alle vier Perspektiven.

6. Arbeitsteilung und Kooperation führen zu Abhängigkeiten und Risiken. Damit können Partner leben, aber nicht jeder will sich in jeder Situation damit zufrieden geben.

7. Partner können ihr Risiko durch die Suche nach alternativen Partnern mindern. Wenn es gelingt, schaffen sie eine Situation der Konkurrenz für ihre Partner. Konkurrenz kann aber auch zufällig, einvernehmlich oder durch eine Kooperationsstörung zustande kommen.

7.1a Bei wechselseitiger Konkurrenz entsteht eine Austauschbarkeit auf beiden Seiten (A und B, Auftraggeber und Auftragnehmer, Anbieter und Nachfragender, Produzent und Konsument, etc.), die man als Markt bezeichnet. Gesellschaftlich bedeutet ein Markt eine Erhöhung der Transparenz und der Versorgungssicherheit.

7.1b Da Konkurrenz unangenehm ist, versuchen die meisten Marktteilnehmer nach Möglichkeit, sich der Konkurrenz zu entziehen und die Marktmechanismen soweit möglich außer Kraft zu setzen. (so kann ein Großabnehmer die Preise diktieren, ein Leistungsanbieter kann ein Monopol anstreben, durch Image-Aufbau kann eine einzigartige Marke erzeugt werden, durch einzigartige Produktmerkmale kann eine Alleinstellung erzielt werden usw.)

8. Positives Verhalten in Konkurrenz konzentriert sich auf die eigene Leistung, die eigene Attraktivität als Kooperationspartner, ähnelt sportlich-fairem Wettbewerb. Sie nützt der Gesamtheit und stärkt letztlich auch den einzelnen Akteur.

9. Negatives Verhalten in Konkurrenz will den Konkurrenten schwächen, ihm Schaden zufügen, ihn kooperationsunfähig machen, generell Konkurrenz für sich durch ein Monopol ausschließen. Das ist Kampf, Gewaltanwendung, Krieg oder Herrschaft. Das schadet der Gesamtheit. Deswegen ist es eine natürliche Kontrollaufgabe der Gesellschaft in eigenem Interesse, negatives Konkurrenzverhalten zu verhindern.

10. Zentrale Begriffe der Wirtschaft sind - nochmals aus (1) - der Begriff der Arbeit und der Fairness ihrer Verteilung bzw. der Verteilung entstandener Vorteile. Damit begründet sich eine Ethik der Wirtschaft (vor allem das Recht auf einen fairen Arbeitsanteil und das Recht auf einen fairen Wohlstandsanteil) und die zentrale gesellschaftliche Kontrollaufgabe. Austausch bedingt Verhandlungen der Bedingungen, die auf verschiedenen Ebenen stattfinden können.

Ich hoffe, aus diesen Thesen wird ersichtlich, wie technisch-funkional und zwangsläufig sich diese Begriffe ergeben und ineinander fügen. Der Begriff der Arbeit und die damit verbundene Ethik ist direkt zentral verankert und nicht indirekt über fragwürdige Werttheorien der in Gütern enthaltenen Arbeitsanteile oder Gebrauchswerte. Man sieht auch, dass diese grundlegenden Wirtschaftsthesen ganz zwanglos ohne die Begriffe Eigentum, Geld, Kapital und Warenproduktion auskommen. Ist doch interessant, oder nicht?


FranzNahrada: Sicherlich interessant. Wir haben darüber ja schon mal diskutiert, und ich finde den Begriff des Austauschs immer noch ein wenig problematrisch, weil er zu nahe an der Vorstellung des Tausches liegt, aber wenn man weiß was gemeint ist ist das natürlich ein himmelhoher Unterschied. Auch glaube ich nicht wirklich daß diese Abstraktionen etwas erklären können, so ist zum Beispiel die dominierende Rolle des Geldes in einer bestimmten historischen Epoche in einer solchen Wirtschaftstheorie nur schwer erklärlich. Aber laß uns sehen wie weit die Abstraktionen tragen. ich versuche sie ja auch experimentell aufzunehmen. Was mir fehlt ist eine Darstellung des positiven und des negativen Verhaltens in Kooperationen. Außerdem hat auch diese Theorie vielleicht ihre Schwierigkeiten im Begriff der Arbeit, denn es gibt individuelle und gemeinschaftliche Arbeit. Es gibt auch allgemeine Arbeit, die in Resultaten mündet die allgemein verwendbar sind (Wissenschaft, Komposition). Zuletzt schafft jede Arbeit Arbeit, nämlich die Arbeit an der Erhaltung oder Entsorgung des Produzierten . Unreine Gedanken, aber vielleicht inspirieren sie Dich.

Im übrigen hab ich in meinen Notizen zum Vortrag einiges aufgegriffen.


Franz, ein paar unsystematische Gedanken dazu.

Zum Begriff Austausch: jedes gedankliche Fortschreiten muss entweder neue Begriffe schaffen oder alter Begriffe neu betrachten und anders verwenden, also ins Ungewohnte vorstoßen. Also ist das unvermeidlich. Man könnte natürlich auch einen Begriff wie "Transaktion" verwenden.

Was die dominierende Rolle des Geldes betrifft hat das mit den grundlegenden Thesen hier wenig zu tun, weil das Geld hier nicht als konstituierend angesehen wird. Erklärungsmöglichkeiten gibt es genug. Der moderne Kapitalismus ist ohne die Verdrängung des Adel durch den Geldadel, ohne die Statusmaschinerie der Massenmedien, ohne die soziale Kittungsfunktion eines "American Dream" und ohne die materialistisch-konstruktivistische Vorarbeit des Kommunismus schwer denkbar. Vermutlich haben auch die Weltkriege wesentlich zur Entfesselung der Produktion beigetragen. Eigentlich recht spezifische Verhältnisse, so dass ich keinen Grund für eine geschichtliche Zwangsläufigkeit des Kapitalismus sehe.

Negatives Kooperationsverhalten wäre der Versuch die Vorteile aus einer Kooperation zunehmend zu Vereinnahmen oder den Partner in seiner Rolle oder seiner Bedeutung zu beschneiden. Natürlich gibt es auch die Möglichkeit zu Betrug, Täuschung und Intrige.

Welche Rolle die Klassifizierung von Arbeit spielt, sehe ich noch nicht, aber dazu ist mir deine Begrifflichkeit vermutlich fremd. In der Arbeitsteilung ist doch jede Arbeit zuallererst eine vom Individuum geleistete Arbeit. Wenn die Arbeit von der Gemeinschaft organisiert wird, dann ist der Einzelne von den Problemen der Kooperation und Konkurrenz teilweise entlastet, verliert aber auch viele Möglichkeiten, die Rahmenbedingungen seiner Arbeit selbst zu beeinflussen. Er gibt Autonomie ab.

-- HelmutLeitner