Tutorial

Ein Wiki funktioniert nur dann, wenn die Teilnehmer sich in die anderen hineindenken können. Dazu gehört der Versuch, die Weltsicht der anderen zu verstehen oder zumindest zu respektieren und ihre Interessen wahrzunehmen oder zumindest zu berücksichtigen. Das muss nicht heißen, dass man derselben Meinung ist. Man sollte lediglich mit den Meinungen der anderen leben können.

Sei es nun offen formuliert oder nicht - in den meisten Wikis gilt es, zu akzeptieren, dass man innerhalb eines Regelwerks und im Rahmen bestimmter Ziele tätig wird. Man sollte versuchen, Themen und Ratschläge für effektives Verhalten zu formulieren und dennoch "offen für alles" sein. Man zeigt, dass man weiß, es können (und - günstigenfalls - es werden) Menschen kommen, die das Wiki anders nutzen, als seine bisherigen Benutzer sich dies momentan vorstellen können. In der Möglichkeit, weich, kollektiv und puffernd auf eine solche Situation reagieren zu können, liegt die Stärke von Wiki begründet. Man beugt einem Konflikt vor, statt ihn in Furcht zu erwarten. Er kommt sowieso.

Hochwertige Inhalte erreicht man in einem Wiki nur dann, wenn gemeinsame Ziele engagiert von Personen verfolgt werden, die - ohne aufdringlich oder autoritär zu sein - die "Struktur erhalten". Jede Gemeinschaft lebt durch erkennbare, auch durch kantige Individuen. Es gilt, zwischen übertriebener individueller Eigenart und Ideenlosigkeit die Mitte zu finden. Es langweilt neue Teilnehmer, wenn Inhalte zu akademisch oder zu sehr im Fachjargon gehalten sind. Auch nachlässig ausgeführte oder triviale Inhalte sind ermüdend.

Damit ein reger Austausch und hohe Aktivität im Wiki herrscht, müssen genügend Interessenten für ein Thema nicht nur als Leser, sondern auch als Autoren teilnehmen. Ein Wiki lebt davon, dass Meinungen, Ideen und Gedanken beigesteuert werden. Es hängt von der Qualität bisheriger Inhalte und der Offenheit der Gemeinschaft ab, ob sich diese Lebendigkeit einstellt. Nicht immer gelingt es, diese beiden Kriterien in Einklang zu bringen.

All dies sind hohe Anforderungen. so manches Wikis hat es am Anfang schwer, oder kommt auf Dauer nicht zurecht. Jedoch, wenn Wiki funktioniert, so wirkt es erstaunlich. Wiki ist eine Schule der Kommunikation, der Interaktion, der gemeinsamen Reflektion und des gegenseitigen Verstehens.

Diskussion

Mattis, ich denke, jetzt wird es schon wieder schwierig, weil wir uns auf ideologischen Boden hinbewegen. Aber von Anfang ...

WarumWikiFunktioniert ist ein merkwürdig - liebenswert - mythologischer Text, der weder vom Titel her klar ist, noch vom Inhalt her vollständig oder unumstritten. Diese Seite, als (halbe) Negation, erbt im Prinzip alle Probleme. Ich stell mal nur die Fragen...

Was heißt eigentlich "ein Wiki funktioniert" ?

• Ein Wiki kann leblos ohne Aktivität sein. Ist funktionieren Lebendigkeit erzeugen?
• Ein Wiki kann in Auseinandersetzungen versinken. Es könnte lebendiger nicht sein. Ist das Funktionieren eine Sache der Konfliktbewältigung?
• Ein Wiki kann konfliktfrei und aktiv, aber für einige Teilnehmer unbefriedigend, für andere ihren Bedürfnissen entsprechend. Funktioniert es nun, oder nicht? Ist das eine Frage des "Funktionierens im Sinne des ursprünglichen Plans, im Sinne des Gründers, im Sinne der etablierten Mitglieder, der Mehrheit, einzelner Mitglieder, der Wiki-Philosophie"?
• Man kann das auch aus politischer oder ideologischer Sicht sehen. Wenn man dem Wiki eine politische Rolle als "neues, revolutionäres, offenes, anarchisches" Kommunikationsmedium zuweist, dann funktioniert es, solange "offen, anarchisch" nicht in Frage gestellt wird? Heißt es dann, es funktioniert nicht, wenn die Mehrheit der Mitglieder das Wiki zielstrebig und nützlich verwendet, aber nicht mehr jedem Besucher jeden Nutzungsversuch durchgehen lässt?

Ich versuchs mal in der Sprache Goffman's: Bei Wiki geht es für mich um die Definition einer sozialen Situation, in welche die Beteiligten einwilligen, indem sie einerseits ihr eigenes Image und die angestrebte Rolle definieren und andererseits das Image und die Rolle anderer akzeptieren. Indem dies geschieht, scheinen die Betroffenen sich in ritueller Form gegenseitig (und der Interaktion oder Situation als Ganzem) Wert zuzuweisen. Interaktion und Wiki funktioniert nicht ohne einen solchen rituellen Konsens. "Offenheit für alles" erleichtert zwar einen Konsens, lässt aber nur Situationen und Rollen mit geringem Wert entstehen. Ein öffentlicher Platz ist "offen für jeden und fast alles", aber es kein Raum für die Arbeit, für konzentrierte Diskussionen, für das Lernen, nicht einmal für die meisten Spiel- oder Sportausübungen. Wiki kann die Funktionen eines öffentlichen Platzes oder Parkes einnehmen, aber es wäre eigenartig, wenn man erwarten würde, dass jedes Wiki dies täte. -- HelmutLeitner

Lange Rede, kurzer Sinn. EinWiki? ist per definitionem offen, so wie sich das Militär mit dem Arpa-net damals selbst gefickt hat. Den Uhrzeiger dreht niemand zurück, und das ist gut so. Sorry für die schnelle, spontane und einfältige Antwort. Demnächst sicher mehr in diesem Theater. 040505 -- MattisManzel

Ich sehe auch noch nicht ganz, wohin die Diskussion führen soll. So wie es für den Begriff "Wiki" viele Bedeutungen gibt, gibt es auch mehrere Aspekte, die das "Funktionieren" von Wikis angehen. Für mich heißt funktionieren, dass Leute zusammenkommen und durch ihren Austausch themenbezogene Inhalte schaffen. Das heißt doch aber nicht, dass wir den Begriff nicht verwenden sollten. Wir müssten halt austarieren, inwieweit wir hier differenzieren wollen. Auf der abstrakten und einführenden Ebene ist weiteres Differenzieren aber imho nicht wirklich notwendig, und dafür sind die Punkte auch viel zu sehr miteinander verknüpft.

Was ich aber oben umformulieren würde, sind die Sätze mit "wir" (hattest Du das geschrieben, Mattis?) - wir sollten individuelle Ansprüche nicht auf die ganze WikiWikiWebCommunity? verallgemeinern. à+ Tim

Ändere bitte straightaway Tim, es gibt keine Zeit zu verlieren. Find ich übrigens gut, dass du zwischen Helmut und mir vermittelst. Wir brauchen das. -- MattisManzel

Entschuldigt meinen langen Diskussionsanstoß. Das war weniger aggressiv gemeint, als es vielleicht aussieht. Die Frage "Woran scheitern Wikis?" ist eine wichtige Frage, mit der wir uns irgendwann auch außerhalb des Tutorials auseinandersetzen müssen. Ich habs einfach mal auf meine Art "problematisiert".

@Mattis, auch wenn ich dir hier Ideologie vorwerfe, so möchte ich doch ausdrücklich anerkennen, dass du dich - vielleicht aus der gleichen Motivationsquelle? - in den letzten Monaten wie kein anderer für das Klima zwischen den Wikis und die Verbesserung aller möglichen Beziehungen eingesetzt hast. Das ist sehr positiv und ich danke dir dafür. -- HelmutLeitner

Zauber ist ein schöner Begriff und ich beginne zu ahnen, was du damit meinst. Es wäre schön, wenn du darüber - Zauber oder WikiZauber? - eine Seite schreiben würdest. Oder meinst du der Zauber würde sich verflüchtigen, wenn man ihn beschreibt? -- HelmutLeitner