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Angst Vor Dem Tod

Oder: Wollen wir wirklich ewig leben?

Im Christlichen Abendland gilt es als selbstverständlich, dass jeder normale Sterblicher den Tod fürchtet und lieber ewig leben möchte, und das sogar in fleischlicher Form: "Auferstehung des Fleisches und ein ewiges Leben". In buddhistisch geprägten Weltgegenden sehnt man sich dagegen nach der Erlösung von der ewigen Wiedergeburt, also dem ewigen Leben in leiblicher Form. Man möchte schließlich in das "Nirwana" eingehen. Das Wort bedeutet so viel wie "Erlöschen" oder "Verwehen".


Wikipedia ( http://de.wikipedia.org/wiki/Nirwana):

"Nirwana ist für Buddhisten auch die Befreiung von der Wiedergeburt (Reinkarnation)."

"Nirwana ist kein Ort. Es ist kein „Himmel“ und keine greifbare Seligkeit in einem Jenseits. Nirwana ist ein Abschluss, kein Neubeginn in einer anderen Sphäre. Es ist ein Wechsel des Zustands, nach dem alle Vorstellungen und Wunschgebilde gleichsam überwunden und gestillt sind."


"Befreiung von der Wiedergeburt", "Erlöschen", "Verwehen", "Abschluss" klingen nicht nach "ewigem Leben", schon gar nicht in leiblicher Form.

Auf jeden Fall zeigt dieser Gegensatz zwischen christlichem und buddhistischem Denken, dass gar nicht so klar ist, was die Menschen mehr fürchten: Den Tod, oder den Zwang, ewig leben zu müssen. Letztlich muss das also wohl jeder für sich entscheiden.

  • Ein ewiges Leben in leiblicher Form ist für mich die denkbar schlimmste Folter und eine wahre Horror-Vorstellung.
Darauf sind wir mit unserer leiblichen und psychischen Verfassung einfach nicht eingerichtet. Schon eine Lebensspanne von 200 Jahren würde uns, selbst wenn unser Körper ewig jung bleiben würde, psychisch weit überfordern: Das Leben würde immer mehr zu einer quälenden Kette von Wiederholungen entarten. Wir hätten bald alles schon einmal so oder ähnlich erlebt. Es gäbe bald nichts mehr echt Neues, worauf wir uns freuen, worauf wir gespannt sein könnten.

Wir würden bald müde und gleichgültig und könnten die Erinnerungen an die immer wiederholten ähnlichen Erlebnisse bald nicht mehr auseinanderhalten oder würden uns an die weiter zurückliegenden Erlebnisse wegen der begrenzten Speicherkapazität unseres Gehirns bald gar nicht mehr erinnern.

Das wäre wie ein endlos langer Film, der einfach nicht zu Ende gehen will, der sich fortwährend in immer ähnlicher Weise wiederholt und schnell immer langweiliger wird. Ein gutes Leben ist wie ein guter Film: spannend bis zur letzten Minute, und nicht überdehnt.

Oder sollen wir uns etwa auf ein gänzlich statisches ewiges Leben im christlichen Himmel freuen, wo wir auf Wolke 7 säßen und den ganzen Tag Hosianna und Halleluja singen würden?

Unsere Persönlichkeit und unser geistiges Leben sind ganz und gar an unsere körperliche Existenz gebunden. Ein rein geistiges Weiterleben, bei dem ich trotzdem noch ich bin, kann ich mir deshalb auch nicht vorstellen.

Wir sollten uns vielmehr von solchen hochgradig illusionären und in sich widersprüchlichen Phantasien freimachen. Wir sollten die Endlichkeit unseres Daseins einfach akzeptieren und das Beste, das uns möglich ist, daraus machen.

Die Endlichkeit unseres Lebens hinzunehmen wird uns leichter, wenn wir drei Dinge immer im Auge behalten:

  • Wir haben ja den Zustand der Nicht-Existenz schon eine Ewigkeit lang "geübt", nämlich vor unserer Geburt. Deswegen brauchen wir keine Angst davor zu haben, sondern sollten dankbar sein, wenn wir nach einem mit Gutem und Schlimmem erfüllten Leben in die Ruhe und den Frieden dieses unseres eigentlichen "Normalzustands" zurückkehren dürfen.
  • Wir sind (siehe Ende meines Textes zu WillensfreiheitUndSinnDesLebens) mit unserer Existenz ganz in die allumfassende göttliche Existenz eingebettet. Gott vergisst nichts. Nur aus unserer extremen Froschperspektive heraus sehen wir die Welt und unser Leben als zeitlich ablaufend, vor Gottes Auge liegt die Zeit ausgebreitet von Ewigkeit zu Ewigkeit. In seiner ewigen Existenz waren wir schon immer enthalten und bleiben wir für immer erhalten.
  • Die Liebe zu einem anderen Menschen, mit dem wir gemeinsam durch's Leben schreiten und alt werden, ist das größte Geschenk und der wirksamste Trost, den uns das Leben geben kann.

Ich komme, ich weiß nicht woher,
ich bin, ich weiß nicht wer,
ich sterbe, ich weiß nicht wann,
ich gehe, ich weiß nicht wohin:
mich wundert, dass ich so fröhlich bin.

(Davon gibt es vielerlei Variationen; über die Herkunft gibt es widersprüchliche Angaben)


Assoziationen

Das Sterben ist wie das Wetter, man kann es beklagen oder fürchten, aber im wesentlichen hat man darauf keinen Einfluss und muss es nehmen wie es kommt. Eine 5-Kilo-Eisenkugel hat mir in meiner Schulzeit ein tiefes Cut in die Stirne geschlagen; eine minimal andere Bewegung oder Flugbahn und ich wäre gestorben. Der blinde Zufall ist ein Teil dieser Welt. Vermutlich ermöglicht er die Vielfalt des Lebens.

Im Gegensatz zum Gedicht gibt es viele Menschen, die ihr Sterben kommen sehen. Zum Beispiel wird Klaus Stelzer in einigen Monaten an Krebs sterben und er hat sich das Ziel gesetzt seine Lebenserfahrung noch in die Form von Video-Diskussionen zu fassen und weiterzugeben (siehe DorfWiki:KlausStelzer). Viele Menschen sehen den Tod kommen und gestalten ihren letzten Lebensabschnitt.

Interessant ist die Frage "Was wäre, wenn ich wüsste, dass ich in X Tagen oder Wochen oder Monaten sterben würde?". Was würde ich dann tun? Wie würde ich die mir verbleibende Zeit nützen? Warum tue ich das, was mir dann essenziell wichtig erscheinen würde, nicht auch so, ohne den drohenden Tod?

Letztlich denke ich, dass es dem Menschen gut tut, sich in Einheit mit dem Univsersum zu fühlen. Egal ob wir in einem rein physikalischen Geschehen existieren, oder ob ein Gott seine Schöpfung lenkt ... diese Gesamtheit besitzt eine höhere Einsicht als wir als begrenzte Individuen. Es wäre unlogisch, nicht darauf zu vertrauen, dass alle Dinge, auch unser Sterben, seine sinnvolle Ordnung hat, auch ohne dass wir darüber sicheres Wissen besitzen. Wir sind Kinder dieser Welt.

-- HelmutLeitner


 
© SinnWiki Community zuletzt geändert am March 9, 2013