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Hilfe Rufe Aus Afghanistan

Aus der MailingListe von CapAnamur:

> Pressemitteilung vom 11.12.2001, Rupert Neudeck
>
> Die Angst vor dem Weihnachtsurlaub
>
>
>
> Ganz nahe an der Verzweiflung!
>
> Die Angst des humanitären Helfers vor dem Weihnachtsurlaub in
> Afghanistan!
>
>
> Wir von Cap Anamur dürfen es nicht verheimlichen. Wir sind nahe an der
> Verzweiflung. Kein Mensch in den Planungs- und Koordinationsstäben der
> UNO, des deutschen Auswärtigen Amtes, der EU in Brüssel hat sich ein
> Bild über das miserable Fehlen jeder Logistik und jeglicher
> Infrastruktur in Afghanistan gemacht, die diese Namen verdienen.
> Afghanistan ist in die Zeit des 30-jährigen Krieges zurückgefallen und
> in die Zustände, die Grimmelshausen in seinem Simplicissimus beschrieben
> hat. So hätten wir fast alle Hilfsgüter - wie wir gesagt haben - bis
> Anfang oder Mitte Dezember in Afghanistan gebraucht. Aber die Bürokratie
> in Tadschikistan und die in Usbekistan stemmt sich mit aller Kraft gegen
> eine wirklich schnelle Auslösung der Hilfsgüter.
>
> Das Auswärtige Amt hat Cap Anamur und anderen Hilfsorganisationen bisher
> nichts wirklich Helfendes an die Hand gegeben. Die Bürokratie in diesen
> beiden Ländern kann nur mit einer Regierungsanstrengung aus Berlin
> aufgehoben und beiseite geschoben werden. Deshalb hatten wir ein
> deutsches "Humanitäres Büro" gefordert, das in Duchanbe mit einem
> beherzten deutschen Diplomaten (wie in Zagreb 1992ff. und in Goma und
> Bukavu 1994) an der Auslösung der Hilfsgüter und der Klärung des Weges,
> 300 km bis zur Grenze, und der  Überwindung der total korrupten vier
> Grenzkontrollen befaßt wäre:
>
> 1. Tadschikische Armee; 2. Russische Armee; 3. KGB; 4. Russischer
> Immigration-Check
>
> Zu diesem humanitären Büro ist es nicht gekommen. Unserer Bitte wurde
> nicht entsprochen.
>
> Der "Humanitäre Korridor" ist keiner. Der Weg von Duchanbe an die
> afghanische Grenze ist noch schwerfälliger geworden als er es ohnehin
> schon war. Die LKW und Jeeps müssen sich auf halber Strecke für die
> Lieferungen, die nach Afghanistan gehen, in der Provinzhauptstadt Kurgan
> Tjube noch einen Stempel holen. Das kann zusätzlich bis zu drei Stunden
> dauern.
>
> Die Grenzbeamten sind nur daran interessiert, für sich selbst etwas
> herauszuholen: Totale Korruption! Sie sind auch nicht immer vor Ort,
> sondern nur dann, wenn sie Lust dazu haben. Es hätte unbedingt die
> Notwendigkeit bestanden, an beiden Seiten des Flusses professionelle
> Transport-Abwickler stehen zu haben. Statt dessen gerät jeder Helfer an
> dieser Flußgrenze in eine Situation, in der ihm Hören und Sehen vergeht.
> Beim letzten Mal mußte ich mich fast ausziehen - bei der Jagd der
> russischen Grenzbeamten auf Dollars!
>
> Diese Jagd ist um so unerbittlicher geworden, als die Hundertschaften
> von Journalisten die Dollars nur so um sich herumschmeißen und damit die
> Preise für die humanitäre Hilfe noch einmal qualitativ versauen.
>
> Ich habe mich geschämt: Ich bin selbst in der letzten Woche erst nach 48
> Stunden aus Afghanistan über die Fähre gekommen, und mußte mit ansehen,
> wie die Journalisten von der US-Fernsehsender CNN jeden Offizier und
> Uniformträger an der Grenze freiwillig schmierten.
>
> Die letzte Geschichte wird vom Auswärtigen Amt verschleiert. Bisher sind
> - nach dem Besuch von Außenminister Joschka Fischer am 20. Oktober - nur
> Experten und Gutachter vor Ort gewesen. Diese haben viel Geld ausgegeben
> für Papiergutachten und Studien. Den Gutachten folgte keine Tat. Alle
> Ratschläge und gutgemeinten Vorschläge wurden nicht verwirklicht. Das
> hat unsere Welt wirklich im Überfluß: Gute Ratschläge, Experten,
> Gutachten, Vorschläge, was getan werden kann und was nicht. Wir haben
> Anfang Oktober darauf hingewiesen, daß alles bis zum Anfang, spätestens
> Mitte Dezember stehen muß, weil es sonst wegen Schnee, Eis und Kälte
> nicht mehr möglich ist, vernünftige Transporte zu machen. Diese Zeit ist
> ungenutzt verstrichen.
>
> Das Militär dagegen kann für sich alles ganz schnell regeln. Der zweite
> tadschikische  Flughafen Koljab wurde für humanitäre Hilfsflüge
> freigestellt. Jetzt haben ganz kurzfristig die US- Armee und die
> italienische Armee den Flughafen beschlagnahmt. Sie rüsten den aus. Und
> wofür? Für ihre militärischen Nachschubflüge und Transitflugzeuge. Kein
> Gedanke an eine Hilfestellung für die Humanitären.
>
> Wir Helfer könnten damit leben, ginge es nur um uns. Die afghanische
> Bevölkerung aber wird abgeschnitten sein und wird nicht überleben
> können. Das Szenario bleibt leider bestehen. Wir begehren nicht,
> unschuldig daran zu sein. Der Bevölkerung in weiten Teilen des Nordens
> Afghanistans steht eine ganz furchtbare Zeit bevor. Die Katastrophe kann
> noch in diesen Tagen abgewendet werden. Dann muß aber unserem
> Logistiker, dem die Zunge zum Hals heraushängt bei  der Auslösung des
> Transportes von 450 Tonnen Hilfsgütern, geholfen werden.
>
> Im Moment sonnt sich die EU-Regierungs-Kameralistik unter der Sonne: Es
> sind so viel
> Gelder bewilligt worden (weltweit 1,3 Mrd. US-Dollar, alleine von
> Deutschland 160 Mio.
> DM), daß man wie damals in Somalia sagen kann: "Flood the country with
> cash!"
>
> Davon werden die Menschen, die Bauern und Nomaden, die uns anvertraut
> sind und in den entlegenen Bergdörfern wohnen, nicht satt. So berichten
> uns nicht nur unsere Helfer, das
> habe ich bei meiner letzten 10-tägigen Reise durch den Norden
> Afghanistans selbst erleben
> müssen.
>
> Aber heute lese ich in der vornehmsten Zeitung Deutschlands "...
> unterdessen setze die
> Bundesregierung ihre Bemühungen um eine Verbesserung der Situation in
> Afghanistan fort."
> Fort?
>
> So lange nicht jemand aus dem Auswärtigen Amt oder den Deutschen
> Botschaften in Duchanbe
> und Taschkent oder auch ein paar Mitglieder des Bundestages die Lage
> selbst gesehen, berührt, gerochen haben, ist das alles nur "tönernes Erz
> und klingende Schelle", wie das Evangelium sagt. Aber keine Taten!
>
> Cap Anamur ist der Verzweiflung nahe, weil uns nicht geglaubt wird. Oder
> erst dann - am
> Heiligabend - wenn es schon zu spät wird.
>
> Wir haben auch Angst vor der Urlaubslücke. Die entsprechenden UN- und
> EU- und OSCE-Helfer
> und Beamten planen alle ihren Euro-Urlaub. Und diese Planungen bleiben
> nicht auf dem Papier, sie werden durchgeführt.
>
>
>
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> - Mailingliste CAP-ANAMUR. Um Ihre Email-Adresse aus der
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> - Mailinglist CAP-ANAMUR. In order to unsubscribe from this mailinglist,
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© SinnWiki Community zuletzt geändert am December 13, 2001