Einige Gedanken

Ich denke, dass der Begriff "allwissend" genauso wie "allmächtig" als Ausdruck der Verehrung zu verstehen sind und ein Konzept der "Unendlichkeit" enthalten, das in der physikalischen Realität nicht vorkommt. Es gibt - soweit wir wissen - weder einen unendlichen Raum noch eine unendliche Zeit und schon gar nicht unendliche Energie, obwohl sogar viele einfache physikalische Formeln (Gravitation für r => 0) dies beinhalten. Wir wissen, dass immer dann, wenn in einer physikalischen Formel unendlich herauskommt, eine Gültigkeitsbereich verlassen wurde.

Nachdem es also nichts Existierendes gibt, das den Charakter der Unendlichkeit besitzt, wäre es ein logischer Widerspruch, dies von einem existierenden Gott zu fordern.

Weiters wird hier "wissend" im Sinne eines "vorherwissend" verwendet. Es ist die Frage, ob diese Form von Wissen erstrebenswert ist, real vorkommen kann (ausser in einfachen physikalisch-deterministischen Systemen)und überhaupt eine tiefere Bedeutung hat. Menschliche Phantasien ranken sich um diese Form der "Macht" - wer möchte nicht die Lottozahlen vorher wissen - aber vermutlich ist diese Form des Wissens eine reine Fiktion. Wissen als "verstehen" wäre in meinen Augen eine wesentlich göttlichere Eigenschaft.

Die Fiktion des Vorrauswissens wird IMHO aus der unglücklichen physikalischen Vorstellung des Determinismus gewonnen, der meint, die Welt als Summe rein kausaler Zusammenhänge, als Uhrwerk oder als System vorrausberechenbar zusammenstoßender Billardkugeln betrachten zu können. Tatsächlich ist das aber nur in sehr einfachen Systemen möglich und nur wenn wir die Systemunschärfen ausfiltern. Viele interessante Systeme (der Mensch, die Gesllschaft, Lebensvorgänge) ähneln mehr den Wolken (Popper verwendet dieses Bild) als den Uhrwerken.

Die Willensfreiheit des Menschen ergibt sich aus zwei realen Beobachtungen: Dass nämlich menschliche Entscheidungen nicht wirklich vorhersehbar sind. Und dass eine Krafteinwirkung (Druck, Manipulation etc.) auf den Einzelnen keine sicher reproduzierbare Beinflussung in eine bestimmte Richtung ergibt. Der menschliche Wille ist offenbar nicht völlig den "Kräfteparallelogrammen der Physik oder der Psychologie" unterworfen und damit teilweise frei von der absoluten Bestimmung durch äußere Kräften. Der innere Bereich des Menschen, seine aktuelle Verfassung und Meinungsbildung, seine Vorstellungen und die Historie seiner Persönlichkeitsentwicklung bestimmt die Entscheidungen zumindest teilweise und damit empfinden wir sie als mehr oder weniger frei. Das Ziel der Willensfreiheit könnte die Eigenbestimmung des Individuums durch seine innere Vorgänge sein, die zwar äußere Faktoren berücksichtigen, aber nicht von ihnen determiniert sind.

All das ist natürlich nicht als Plädojer für einen persönlichen Schöpfergott zu sehen, aber als Plädojer dafür, dass (auch aus der Sicht eines Naturwissenschaftlers) ein persönlicher Schöpfergott - und damit der Glaube an ihn - denkbar bleibt.

-- HelmutLeitner

Subjektive und objektive Willensfreiheit

Man muss hier sicher unser subjektives Empfinden und objektiv Feststellbares auseinander halten.

Subjektiv empfinde ich oft die Qual der Wahl: Ich muss eine Entscheidung treffen, die mir niemand abnimmt, und insofern ist es meine Entscheidung, bei der ich mich frei fühle.

Mir geht es oben aber um die Frage, ob der Mensch nicht nur überhaupt Willensentscheidungen trifft (klar, tut er), sondern ob diese außerdem noch frei sind in irgendeinem objektiv überprüfbaren, oder wenigstens widerlegbaren Sinn (Popper lässt grüßen): Wer behauptet, der Mensch habe nicht nur einen Willen, sondern darüberhinaus sogar einen freien Willen, der muss mir auch sagen können, wie ich ihn widerlegen könnte.

Ich sehe bislang einfach keinerlei Kriterium, anhand dessen man hierüber eine objektive Entscheidung herbeiführen könnte. Daher ist für mich die Frage der menschlichen Willensfreiheit objektiv sinnlos, obwohl ich mich bei meinen Entscheidungen im allgemeinen subjektiv frei fühle.