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Meditation Und Überwindung Des Ichs

Albert Einstein hat in seinem Buch Mein Weltbild gesagt:

Der wahre Wert eines Menschen ist in erster Linie dadurch bestimmt, in welchem Grad und in welchem Sinn er zur Befreiung vom Ich gelangt ist.

Hier ist vielleicht in erster Linie die Befreiung von egoistischem Denken gemeint. Es wird aber auch nahegelegt, dass man in verschiedenem Sinn zur Befreiung vom Ich gelangen kann.

So lehrt etwa der Buddhismus, wie man durch vielerlei Varianten von Meditationstechniken temporär in einen besonderen Bewusstseinszustand gelangen kann, der von vielen, die ihn erlebt haben, glaubwürdig als "Ichlosigkeit", "Gefühl der Einheit mit dem Universum", "Gefühl der Nicht-Dualität des Seins", "Erwachen", "Befreiung", oder auch (für mein Gefühl etwas arg hochtrabend) als "Erleuchtung" beschrieben wird. Zum Buddhismus siehe etwa

Dieser Bewusstseinszustand sei so besonders, dass er ganz eindeutig und unverwechselbar als solcher erkannt werde und das ganze weitere Leben präge und verändere und den, der es erlebt hat, zu innerem Frieden und zu Gelassenheit und Distanz gegenüber dem eigenen Schicksal führe.

Dieser selbstvergessene, ichlose Bewusstseinszustand, in dem "niemand da ist" und man die Welt nur noch als das sich einfach von selbst ereignende "Eine" sieht, hält aber im allgemeinen nur kurz an, vielleicht sogar nur eine Sekunde lang, bis dann das Ich zurückkehrt und unser Denken und Fühlen wieder beherrscht und sich von der übrigen Welt getrennt sieht. (Mangels eigener Erfahrung kann ich hier nur Angelesenes wiedergeben.)

Eine Ich-bezogene Einstellung, die das eigene Befinden und das Ich mit all seinen Wünschen und Begierden in den Mittelpunkt stellt, und überhaupt die scharfe Trennung zwischen dem Ich und der realen Außenwelt werden schon im Buddhismus als die Quelle allen Übels angesehen.

Im Gegensatz dazu wird eine Einstellung angestrebt, in der das Ich sich, wenigstens temporär, auflöst und in "dem Einen" aufgeht, man könnte vielleicht auch sagen "in dem Weltschicksal", das einfach geschieht, und von dem wir als unlöslicher Bestandteil anzusehen sind.

Viele versuchen nach dem buddhistischen Vorbild durch intensive Meditation dorthin zu gelangen. Siehe etwa

Andere sagen, das sei einfach Glückssache und der Zustand könne auch ganz ohne Meditationsübungen in Alltagssituationen, zum Beispiel mitten im Getriebe eines Bahnhofs, plötzlich und überraschend "von selbst" eintreten, ohne dass man ihn durch irgendwelche Übungen herbeizwingen könne: Nicht du findest die Erleuchtung – die Erleuchtung findet Dich. Diese Ansicht vertritt zum Beispiel Richard Sylvester in seinen beiden erfrischend unprätentiösen und humorvollen Büchern

Vielleicht liegt die Wahrheit auch hier in der Mitte, und Meditation, als Technik, unseren rastlos tätigen Geist zu einem Innehalten und Stillstand zu bringen, führt vielleicht den Meditierenden näher an einen Punkt heran, wo dann, mit zusätzlichem Glück, das plötzliche Umschlagen in diesen Bewusstseinszustand erfolgen kann, in dem das Ich verschwunden ist, also "niemand" mehr da ist und nur noch "das Eine" gesehen wird. (Daher auch der Buchtitel "Das Buch Niemand".)

Die nicht-duale Weltsicht ist von Autoren wie David R. Hawkins weit ins Mystische überhöht worden und erliegt damit in meinen Augen der Gefahr des Sich-Klammerns an illusionäre Glaubensfantasien in dem selben Maße wie herkömmliche Glaubensreligionen. Vielleicht wird ja mit dem Streben nach "Ichlosigkeit" auch nur eine Illusion durch eine andere Illusion ersetzt: die "Ichillusion" durch die "Ichlosigkeitsillusion". Mir genügt eigentlich die Einsicht, dass die Entscheidungen meines Gehirns nicht als souveräne Entscheidungen eines autonomen, mit Willensfreiheit ausgestatteten "Ichs" anzusehen sind, sondern durch selbsttätig, naturgesetzlich ablaufende Nervenprozesse zustande kommen.


Ein solch plötzliches Umschlagen unserer Sicht und Interpretation des gleichen Bildes kennt man seit langem aus dem Bereich der "optischen Täuschungen". Siehe etwa

Kelch oder zwei Gesichter?

Deshalb sollte man nach meiner Ansicht diesen Zustand der "Erleuchtung" auch nicht übertrieben mystifizieren und quasi zur Religion erheben, sondern als einen unsere Ich-Zentriertheit relativierenden, heilsamen und befreienden Spiegel ansehen, den unser Gehirn uns temporär vorzuhalten in der Lage ist.

Vielleicht ist es sogar gut so, dass unsere Weltsicht, wenn überhaupt, nicht so schnell und einfach wie im Fall der doppeldeutigen Bilder in die Sicht der Ichlosigkeit umschlägt, denn ich vermute, dass das unter Umständen gefährlich sein könnte, zum Beispiel wenn wir gerade ein Fahrzeug lenken.

Und hier noch vielerlei andere

die zeigen, was unser Gehirn uns sonst noch so alles vorzugaukeln imstande ist.


 
© SinnWiki Community zuletzt geändert am August 13, 2018