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Was Ist Bewusstsein

Wenn wir davon ausgehen, dass unsere Gedanken und unser Bewusstsein allein durch Prozesse in unserem Gehirn und damit durch Naturgesetze bestimmt sind (vgl. auch WillensfreiheitUndSinnDesLebens), so drängt sich die Frage auf, warum nur bestimmte Gehirnvorgänge mit Bewusstsein verbunden sind, andere nicht.

Nach meiner Überzeugung ist diese Frage jedoch ziemlich unsinnig, so als würde man etwa fragen: Warum erzeugen nur die Scheinwerfer eines Autos Licht, der Motor und die Kurbelwelle aber nicht?

Ich denke vielmehr, dass "Bewusstsein" eine bestimmte Hirnfunktion ist, die bei höheren Wirbeltieren anzutreffen ist, die sich durch besondere Intelligenz und Lernfähigkeit auszeichnen.

Ich nehme weiterhin an, dass diese Hirnfunktion an ein spezifisches Hirnzentrum gebunden ist, das quasi als "Bühne des Bewusstseins" fungiert.

Der Zweck und die Aufgabe dieser Bewusstseinsbühne hängt eng mit der Problemlösungs- und Lernfähigkeit besagter Tiergruppe zusammmen. Und zwar handelt es sich beim Menschen anscheinend um eine dreigeteilte Bühne:

  1. Die erste Bühne dient als Projektionsfläche für unsere gegenwärtigen realen Sinneswahrnehmungen (Wahrnehmungs-, Erkennungs- oder Realitätsbühne),
  2. die zweite als Projektionsfläche für erlebte vergangene und vorgestellte künftige oder gänzlich fiktive/hypothetische Situationen und Ereignisse ("Vorstellungsbühne"),
  3. die dritte im Schlaf als Projektionsfläche unserer Träume ("Traumbühne").
Während der Inhalt der Vorstellungsbühne willkürlich hervorgebracht wird, ist dies für die Realitäts- und die Traumbühne nicht der Fall (abgesehen davon, dass ich durch Ändern meiner Blickrichtung ö.ä. steuere, was auf der Wahrnehmungsbühne erscheint).

Der Inhalt der Wahrnehmungs- und der Traumbühne hat im visuellen Bereich "photorealistischen" Charakter, während der Inhalt der Vorstellungsbühne vergleichsweise schemenhaft bleibt.


7 Jahre später:

Die Tatsache, dass die Hirnforschung bislang kein räumlich an einem Ort im Gehirn angesiedeltes Bewusstseinszentrum gefunden hat, ändert nichts daran, dass es offenbar so etwas wie eine spezialisierte Bewusstseins-Funktionalität im Gehirn gibt.

Heute würde ich, statt von Bewusstseins-, lieber von Aufmerksamkeits- und Problemlösungs-Funktionen sprechen. Sie hängen eng mit der tierischen und menschlichen Lernfähigkeit zusammen.

Ich denke, dass es ein ganzes Spektrum von Komplexitätsgraden tierischen Bewusstseins gibt. Ich weiß nicht, ob eine Fliege oder ein Regenwurm Probleme lösen kann. Aber auch diese Tiere müssen ihre Umgebung und ihre eigenen Körperzustände in irgendeiner Weise wahrnehmen können und auf ihre Wahrnehmungen möglichst sinnvoll reagieren, wenn auch vielleicht nur auf eine instinktgesteuerte, starr programmierte Weise.

Ein Regenwurm, der visuell nur hell und dunkel unterscheiden kann, und eine Lampe, die sich mit Hilfe eines Lichtsensors bei eintretender Dunkelheit automatisch einschaltet, haben im visuellen Bereich nur ein extrem eingeengtes Bewusstsein.

Dagegen ist das visuelle Bewusstsein einer Fliege unvergleichlich viel umfassender. Aber auch die visuelle Bewusstseins-Weite einer Digitalkamera mit automatischer Gesichtserkennung ("face-detection") und automatischer Scharfeinstellung nähert sich schon der einer Fliege.

Dieses reine Wahrnehmungs- und Erkennungs-Bewusstsein ist die gleiche Art von Bewusstsein, die in einem Menschen vorhanden ist, der sich einfach nur, ohne nachzudenken oder etwas zu suchen oder anzustreben, umschaut oder mit einem Aufschrei auf einen plötzlichen Schmerz reagiert. Man wird nicht behaupten wollen, dass er das in einem Zustand von Bewusstlosigkeit tut, und auch die Fliege, die nervend um mich herumsumst, ist dabei nicht bewusstlos.

Eine fundamental neue Qualität erreicht das Bewusstsein aber sicherlich dort, wo die oben genannte "Vorstellungsbühne" ins Spiel kommt.

.....

--KlausGünther

Links

Ein vieldiskutiertes Buch:
Computerdenken von Roger Penrose.

Anregender Einstieg in eine Fülle von Literatur zu verwandten Themen:
http://beat.doebe.li/bibliothek,
Die Frage "Was ist Bewusstsein?" in Beats Bibliothek:
http://beat.doebe.li/bibliothek/f00004.html

Aus 3sat-nano: http://www.3sat.de/3satframe.php3?url=http://www.3sat.de/nano/bstuecke/07671/

ORF ON Science: http://science.orf.at/science/news/17006

KI-Phantasien: http://www.heise.de/tp/deutsch/special/robo/8653/1.html

Hirnprozesse und Bewusstsein: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/25/25958/1.html

Spekulationen

Ich glaube, dass die Gehirnforschung so ein Zentrum des Bewusstseins schon lokalisiert hätte, wenn es eines gäbe. IIRC geht man derzeit davon aus, dass das Bewusstsein eine verteilte Funktion ist, an der weite Teile des Gehirns, besonders des Großhirns beteiligt sind.

Es spricht aber nichts dagegen, sich als Modell eine Instanz, eine "Bühne des Bewusstseins" vorzustellen, die beim Menschen IMHO vor allem folgende Funktionen erfüllt:

  • Wahrnehmung des Ist-Zustandes
    • eine Zusammenführung aller Sinneseindrücke
    • eine Zusammenführung aller sensorischen Informationen des eigenen Körpers
  • Erinnerung
    • das (partielle) Abrufen vergangener Zustände
    • das Abrufen vergangener Abläufe (z. B. gelernter Bewegungsvorgänge)
  • Verarbeitung
    • das Vergleichen von Zuständen
    • das Erkennen von Mustern in den Zuständen
  • Symbolisierung (Versprachlichung)
    • die Koppelung von Mustern mit Symbolen (z. B. Worten)
    • Verarbeitung von sprachlichen Mustern (Sätzen, Logik)
Vermutlich ist das Bewusstein (Spekulation) keine Ja-Nein-Angelegenheit, sondern eine graduelle Entwicklung in der Evolution des Lebens. Trotzdem gibt es große Zäsuren, je nachdem ob - und in welchem Ausmaß - ein Organismus Wahrnehmung, Erinnerungsvermögen, Sehvermögen und Sprachfähigkeit besitzt oder nicht. -- HelmutLeitner

Ich sehe mit Freude, dass du offenbar auch schon über diese Probleme nachgedacht hast! --KlausGünther

Na ja, es geht so. Interessieren dich mehr die philosophischen, die psychologischen, die physiologisch-analytischen oder die auf Implementierung abzielenden Aspekte?

Letztlich bin ich hauptsächlich an den AI-Aspekten interessiert.

Arbeitet Ihr da an konkreten Projekte? Kennst du die Arbeiten von DseWiki:DietrichDörner?

Konkrete Projekte: nein. Nur ein Hobby. Vielleicht wird später noch deutlicher, worauf ich hinaus will. Dörners Arbeiten finde ich sehr interessant und eine erfrischende Bresche in die erstarrten Fronten der Schul-Psychologie und anderer -logien.

Vermutlich befinden wir uns da auf einer ähnlichen Linie, was mich sehr freut, weil es mich noch viele fruchtbare Diskussionen erwarten lässt. -- hl


Danke für die Links, die sind teilweise wirklich hochinteressant. Was mich am meisten inspiriert hat, ist die anklingende Vorstellung von Bewusstsein als eine integrierende "Meta-Wahrnehmung" der eigenen Wahrnehmungs-, Verarbeitungs-, Handlungs- und Denkaktivitäten. Vielleicht ist der Begriff "Bewusstsein" gerade deswegen so schwierig, weil wir die Wahrnehmungen (wie z. B. das Sehen) als einen integralen Teil des Bewusstseins empfinden. Vielleicht würde sich im Verständnis einiges ändern, würde man ein Grenzziehung zwischen den Basis-Funktionen und den Meta-Funktionen versuchen? -- HelmutLeitner


Zu "sieben Jahre später": Klaus, ich finde es faszinierend, dass du es schaffst, über diese Thematik zu sprechen und dabei das Phänomen des Unterbewusstseins oder unbewusster Prozesse auszuklammern. Ganz offenbar gibt es, wenn wir uns ein Modell vom Gehirn im Sinne von AI machen, eine große Fülle von Prozessen und Bereichen, die funktionieren ohne uns gegenwärtig zu sein. Teilweise gibt es Möglichkeiten, davon Teile zu erhaschen, etwa in Träumen, in Drogenerfahrungen die auf die Gehirn-Chemie wirken, oder in Therapieerfahrungen die Verdrängungen an die Oberfläche bringen. Ist das Zufall, Nachlässigkeit, oder hast du dem Unbewussten als einem "esoterischeren Konzept" gegenüber eine negative Einstellung? Meinst du, man könne das Gehirn modellieren und verstehen, ohne diese Dichotomie von Bewusstem und Unbewusstem, z. B. als Filterung des aktuell Relevanten, aufzugreifen? -- HelmutLeitner


Helmut, nach allem was uns die Experten sagen, dringt nur ein ganz kleiner Teil der Nervenprozesse in unserem Gehirn in unser Bewusstsein vor. Das allermeiste, was sich im Gehirn abspielt, bleibt unbewusst. Aber hier geht es mir ja um die Frage "Was ist Bewusstsein?". Über das Unbewusste zu sprechen, traue ich mich nicht, weil wir (und ich ganz besonders) darüber naturgemäß nur sehr wenig Objektives und wissenschaftlich Fundiertes wissen. Über den Zweck und die Funktionsweise des Bewusstseins zu spekulieren traue ich mir gerade eben noch zu (vielmehr: ich wage es einfach), weil wir darüber halt durch Selbstbeobachtung ein kleines bisschen mehr wissen.

Wie es kommt und vor sich geht, dass aus dem Unbewussten heraus Dinge in unser Bewusstsein eindringen, darüber weiß man ja wohl auch nicht viel. Daher möchte ich mich nur darauf beschränken, zu spekulieren, was das Bewusstsein dann damit anfängt und wie das Bewusstsein mit unserer Lern- und Problemlösungsfähigkeit zusammenhängt. Das wird mich sicher noch eine ganze Weile beschäftige. Dafür stehen oben die Fortsetzungs-Pünktchen.

Allmählich fällt mir auf, dass du mich immer wieder im Verdacht hast, das Unerklärliche, Unbewusste und nicht rational Fassbare zu vernachlässigen oder gar zu ignorieren: Damit hast du wahrscheinlich nicht ganz unrecht. Das liegt wahrscheinlich daran, dass mich schon in jungen Jahren der "Tractatus logico-philosophicus" deines österreichischen Landsmannes Ludwig Wittgenstein stark beeindruckt hat, dessen Quintessenz lautet:

Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen.

Wittgenstein geht es dabei primär um überprüfbare, objektive Aussagen. Aber sprachliche Äußerungen haben natürlich nicht nur den Zweck, überprüfbare, objektive Wahrheiten und Problemlösungs-Rezepte weiterzugeben und zu diskutieren. Wir haben ja nicht nur objektive Probleme mit der Welt und dem Leben, sondern auch psychische: Lebensangst, AngstVorDemTod, Einsamkeit, Sinnleere.

Das Sprechen über diese Dinge hat zwar auch den Zweck, objektiv Überprüfbares, Bewährtes, und hilfreiche Empfehlungen weiterzugeben. Aber wenn ich etwa "ich bin in Gott, Gott ist in mir, für ihn gibt es keine zeitlichen Abläufe und keine ungewisse Zukunft" als Teil meiner Einstellung zur Welt und zum Leben beschreibe, so will ich damit anderen helfen, ihre Einstellungen zu revidieren und ein gelasseneres, von Gottergebenheit getragenes Lebensgefühl zu gewinnen, weil mir das selbst geholfen hat, als ich anlässlich einer Krebsoperation selbst in einer lebensbedrohlichen Situation stand. (Und mit Rückfällen muss ich auch heute noch rechnen und 5 Jahre lang alle drei Monate brav zur Nachuntersuchung gehen).

Sprache kann also natürlich auch zur Vermittlung von Gefühlen und damit zur Lösung psychischer Probleme benutzt werden. In meinen Äußerungen hier im SinnWiki besteht offensichtlich die Gefahr, dass das leicht etwas vermengt wird. Aber hier bei WasIstBewusstsein geht es mir eindeutig in erster Linie darum, objektivierbare und vielleicht im Computermodell nachbildbare/erprobbare Mechanismen zu "erraten", die die Tätigkeit des Bewusstseins prägen. Ich denke, darüber kann man sprechen auch ohne zu wissen, warum auf der unbewussten Ebene etwas als hinreichend relevant und dringend angesehen wird, um auf die Ebene Des Bewusstseins gehoben zu werden.

-- KlausGünther 27.7.2009

Klaus, ich denke, dass das Bewusstsein nur eine Teil eines umfassenderen Systems ist, das wie die Spitze eines Eisberges wirkt. Weder kann man das alleine verstehen, noch modellieren. Ich bin wenigstens ebenso an den KI-Aspekten interessiert, denn ich arbeite gerade an einem Projekt in dem natürliche Sprache analysiert und Bedeutung modelliert wird. Allerdings ist das Projekt noch in einem frühen Stadium.

-- HelmutLeitner 27. Juli 2009 11:07 CET

Da machst du mich natürlich neugierig. Kannst du vielleicht ganz grob skizzieren, was das Ziel des Projektes ist? Falls es dir lieber ist, auch über E-Mail: Klaus.D.Guenther (at) gmail.com.

Eisberg: Ich denke, dass man auch über die Spitze des Eisbergs Aussagen machen kann, ohne gleich den ganzen Eisberg verstehen zu müssen, so wie man über einen Auto-Motor sprechen kann, ohne gleich das ganze Auto mit einbeziehen zu müssen.

-- KlausGünther 27.7.2009

Klaus, im Grund ist es ganz einfach: Es ist ein kommerzielles Internet-Data-Mining Projekt, das sehr heterogene Informationen (von Tabellen bis zu völlig freiem Text) aus einem speziellen Anwendungsgebiet sammelt. Beim Text geht es um die partielle Transformation von Texten in Realobjekte und ihr Eigenschaften, wobei auswertbare Textteile auch erst kontextuell identifiziert bzw. diskriminiert werden müssen. Komplexeres Modell-Verständnis, wie etwa von komplexeren Prozessen, wie etwa Akteuren auf einer Bühne, brauchen wir derzeit nicht. Viel konkreter könnte ich im Moment auch in privater Kommunikation nicht werden. Wie ist dein oder euer Zugang?

-- HelmutLeitner 28. Juli 2009 8:46 CET


 
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