zurück zur Lesenproben-Übersicht
aus dem Buch "Mustertheorie"
Mit dem Aufschwung des Internet haben auch soziale Gruppen, so genannte Online-Communities, ein großes Betätigungsfeld vorgefunden. Bekannt sind die Anwendungen wie Foren, Wikis, Mailing-Listen oder Blogs und die großen, erfolgreichen Projekte wie Linux oder Wikipedia. Im Großen und Ganzen handelt es sich um Systeme, die meist von Idealisten initiiert werden und die auf der Idee von Kooperation und dem Teilen von Wissen beruhen.
Sieht man von oberflächlichen Merkmalen ab, so sind Online-Communities recht merkwürdige sozio-technische Gebilde, die nicht leicht zu verstehen und zu handhaben sind. Man kann sie nicht wie technische Geräte einschalten und erwarten, dass sie funktionieren. Dazu ist der Anteil des Faktors Mensch am Erfolg zu hoch. Tatsächlich haben auch nur ein paar Prozent der Projekte Erfolg im Sinne von größerer Benutzerzahl, interessantem Inhalt und einer verhältnismäßig längeren Lebensdauer.
Wenn Online-Communities erfolgreich sind, schaffen sie allerdings Erstaunliches. So hat der Weltkonzern Microsoft alle kommerziellen Konkurrenten auf dem Markt der PC-Betriebssysteme aus dem Feld geschlagen. Das Community-Projekt Linux, gegründet vom finnischen Studenten Linus Torvalds, hat es mit der Arbeit von Freiwilligen geschafft, ein gutes, alternatives Betriebssystem zu erzeugen. Es ist erstaunlich, dass Milliarden von Dollars offenbar nicht erfolgsentscheidend sind. Der Wunsch ist naheliegend, solche Erfolge in anderen Organisationen, in kommerziellen Firmen ebenso wie in nicht-kommerziellen Initiativen und öffentlichen Einrichtungen zu wiederholen. Jedoch ist das schwierig, und es ist zunächst nicht ganz klar, woran es liegt. Es gibt daher den Wunsch, die sozialen Strukturen und Mechanismen besser zu verstehen.
Ein Faktum ist, dass es in diesem Bereich um Reproduzierbarkeit und Vorhersagbarkeit schlecht bestellt ist. Niemand könnte z. B. mit den gleichen Verfahrensweisen eine zweite Wikipedia gründen und erfolgreich sein. Die Netzteilnehmer würden einfach nicht verstehen, was der Sinn eines ähnlichen konkurrierenden Systems sein soll. Es müsste also ein markant anderes Profil haben und damit neue Identifikationsmöglichkeiten schaffen.
Was man aber tun kann, ist, die vorhandenen Systeme nach Eigenschaften untersuchen, die sich als Erfolg bringend bewährt haben und aus diesen Bausteinen neue Online-Communities zu bauen, die durchaus alltägliche und weniger spektakuläre Ziele haben können. Sie können etwa der Organisation einer Konferenz dienen oder den Unterricht an einer Schule unterstützen. Es muss aber eine ausreichende Struktur vorhanden sein, damit das System nicht stagniert.
Das Ziel der Gründung einer Online-Community ist die Etablierung eines lebendigen sozialen Gebildes, das aus der Begeisterung der für das Projekt gewonnenen Benutzer eigendynamisch weiterwächst und an Bedeutung zulegt.
Die erfolgsträchtigen Strukturen und Eigenschaften lassen sich am besten in Mustern darstellen. Sie entstehen in bestimmten Anwendungszusammenhängen, lösen bestimmte Probleme und sind optional. Dabei gibt es sehr unterschiedliche Typen von Mustern wie Projektmuster, Anwendungsmuster, Rollenmuster, Inhaltsmuster, Lizenzmuster und Verfassungsmuster, um nur einige zu nennen. Es sind wohl einige Hundert Muster, viele noch kaum beschrieben, die in Summe das Wissen um Online-Communities abdecken und für die Entwicklung von Projekten herangezogen werden können.
Die inhaltliche Reflexion und Aufarbeitung der Erfahrungen zu Online-Communities findet vor allem in Wikis statt. Als Wiki bezeichnet man eine Sammlung von Internetseiten, die gemeinschaftlich bearbeitet werden kann. Das bekannteste Projekt dieser Art ist die Wikipedia. Wikis bieten maximale Freiheiten, um Inhalte gemeinsam zu schreiben und zu nützen.
zurück zur Lesenproben-Übersicht