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Diskussion Online Communities

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die Richtung stimmt: Lesen und Schreiben - das ist sind die beiden Basiskategorien, von denen aus man Communities zu analysieren


Einleitung

In FastBook No. 1 wird eine kleine Raumtheorie entwickelt: Raum ist das Umfassende, das uns umgibt. Raum entsteht durch das Vollziehen von Orten, wobei zwei Personen in diesem Vollziehen ganz unterschiedliche "RaumWelten?" (die Kueche des Hauses, in der man sich gerade bewegt, quillt fuer den einen foermlich in den Garten hinaus; fuer den anderen ist sie klein und eng) hervorbringen koennen. Die RaumWelt? des Anderen ist mir immer nur ueber Spuren zugaenglich.

Alles in allem bedeutet das - und darum geht es hier -, dass es keinen Cyberspace gibt: Vor dem Computer sitzend wird Raum lediglich imaginiert; mit Raum-Erleben hat das alles nichts zu tun. Das fuehrte im Zuge einer kleinen Diskussion zu der Frage, ob Communities auch Raum erzeugen. Was folgende "Auseinandersetzung" zur Folge hatte:

Online-Communities - Neue Raeume oder etwas ganz anderes?

...trotzdem gibt es auch Punkte, wo ich ganz anderer Meinung bin [als in FastBook 1 vertreten]: Ich sehe derzeit echte Online-Communities entstehen und auch echte Räume entstehen in der Online-Welt... -- HelmutLeitner


Nun, ich denke, dass das Thema "Communities" tatsaechlich ein grosses Comeback erlebt und noch eine grosse Zukunft vor sich hat. Allerdings haben fuer mich Communities nicht unbedingt etwas mit Raum zu tun: Meiner Ansicht nach verwenden wir den "Raum"-Begriff dann, wenn wir auf das uns Umgebende verweisen wollen. Da existiert etwas um uns herum - darauf wollen wir mit dem "Raum"-Begriff verweisen. Raum als Phaenomen hat insofern etwas mit Welt-Erleben zu tun; das ist mir ganz wichtig. Beim Cyberspace oder beim Netz ist das schlicht und einfach nicht der Fall: Vor dem Bildschirm eines PC erleben wir keinen Raum, sondern imaginieren ihn hoechstens - und das ist etwas ganz anderes. Insofern bilden Communities fuer mich keine Raeume aus. Sie erhoehen aber die Kommunikationsdichte und bewirken damit, dass sich vielleicht auch meine Mobilitaet veraendert: Weil ich in einem Gespraechszirkelt bin, der vielleicht von Athen ueber Zagreb und Paris bis Toronto reicht, werde ich auch oefter dorthin kommen. Damit wird sich dann auch meine persoenliche Raum-Welt ausdehnen beginnen. Das ist, so meine ich, ist die tatsaechliche Auswirkung von Netzwerken auf den Raum und auf Raeumlichkeit. Wir duerfen uns hier nicht in unseren eigenen Metaphern verfangen.

Das heisst auch: Ich denke, wir sollten ueber Communities ganz anders nachdenken; nicht aus der Perspektive von Raeumen und dergleichen. Die Kategorie, die mir angemessen erscheint, ist die der Diskursgemeinschaft. Oder sogar der kritischen Diskursgemeinschaft, denn Communities sind einer jener Systeme, in denen heute noch die kritische Diskussion gepflegt wird; sei es die akademische, sei es die ganz triviale in Form eines heftigen Streits oder eines kleinen Geplaenkels. Hierin liegt m.E. ihre Substanz und von hier aus sollte man weiterdenken - was freilich zu ganz anderen Fragen und Folgerungen fuehrt als wenn ich das Thema Community aus der Raumperspektive angehen. Ich halte das im uebrigen fuer einen Restbestand der fruehen Netzdiskussion, die das Internet zu einem eigenen, parallen Universum mit eigenen Regeln hin "ontologisiert" hat. Fuer mich ist das Netz aber immer Teil einer umfassenderen Lebenswelt; in diesem sollten wir es zu verstehen und nutzen versuchen. Und mit ihm die Communities... ChristianEigner


... Communities ... nicht aus der Perspektive von Raeumen ... Diskursgemeinschaft ...

Entschuldige, aber diese Sicht ist mir zu distanziert. IMO mag das retrospektiv zutreffen, trifft aber nicht Gegenwart und Zukunft der Communities. Ich nehme dich beim Raumbegriff: dem individuellen Welt-Erleben. Ist das nicht auch Vorstellung, die sich aus dem Tasten, dem Berühren, dem Sehen als Beziehung zur unmittelbaren Umgebung, vor allem zu den Menschen erschließt? Wenn nun die Online-Kommunikation in der Lage ist, wildfremde Menschen zusammenzuführen und persönliche Beziehungen, Wertschätzung, Bereitschaft zum sozialen Handeln aufzubauen ... hat sich dann nicht Online tatsächlich Raum in deinem Sinn gebildet? Dies vermag der Begriff der Diskursgemeinschaft IMHO nicht zu fassen. -- hl


Ich denke nicht, dass mein Blick retrospektiv ist: Er beschreibt jene Erlebnisse und Erfahrungen, die ich im Netz gemacht habe und noch immer mache. Und da hat sich im Community-Bereich nicht so viel veraendert; auch wenn die Tools heute komfortabler sind und neue Optionen eroeffnen.

Wie steht es nun um das Welt-Erleben? Ich sitze hier gerade in meinem Container-Buero im Garten an meinem Rechner. Was erlebe ich? Wie sieht meine RaumWelt? aus? RaumWelt? entsteht, so behaupte ich in "SpacEconomy", vor allem aus dem Vollzug von Orten. Der Ort, den ich hier vollziehe, ist der Container. Zu diesem Vollzug gehoert der Blick nach draussen, der Garten vor mir, der Blick auf die Sandkiste meiner Tochter, der Strassenlaerm, das Tippen, das Nachdenken ueber das, was ich gerade schreibe und und und. So entsteht meine RaumWelt?. Und wenn ich in einer Stunde etwas Essen gehe, wird sie sich in das Lokal ziehen, und wenn ich demnaechst wieder einmal bei Dir vorbei schaue - eben auch deshalb, weil wir ueber das Netz kommunizieren -, wird sich meine RaumWelt? weiter ausdehnen. Aber, und das ist der entscheidende Punkt, NUR dann. Zum Raum gehoert das echte Bewegen, Erleben, das Einsaetzen des Leibes. Wenn wir einander nur schreiben - und was tun wir hier sonst? - haben wir vielleicht ein gutes Gespraech, ueber das wir auch was lernen, aber es entsteht kein Raum. Der kommt erst ins Spiel, wenn wir dann auch tatsaechlich etwas zusammen machen, einander begegnen, die Orte des je Anderen in unsere RaumWelten? integrieren. Das ist fuer mich entscheidend. Wenn ich mit jemanden chatte, (wie auch immer) online kommuniziere, veraendert sich nicht viel, durch das ALLEIN entsteht noch kein Raum. Dann habe ich zwar Kontakte nach Australien oder in den Senegal, aber deswegen reicht meine RaumWelt? noch nicht dorthin.

Aber natuerlich entstehen Gespraechsbeziehungen. Und natuerlich denkt man sich in den Anderen hinein, stellt sich dessen Welt vor, fliegt im Kopf zu ihm. Aber das ist noch immer was anderes als das Erleben von Welt, von Raum, von Ausdehnung, von Bewegung. Und diese Differenz ist mir wichtig. Uebersehen wir sie naemlich, ziehen wir rasch falsche Schluesse. Zuerst wird beispielsweise nur vom Raum gesprochen, der so entsteht (da ist Raum noch eine sehr unscharfe Metapher), doch bald wird vielleicht die Metapher zur Idee des Cyberspace, folglich zu einer neuen Welt mit neuen Regeln - und spaetestens dann, wenn diese Ontologisierung passiert ist, wird es problematisch. Dann kommen Fragen wie "Was ist der Cyberspace?" oder "Nach welchen Regeln sollen wir den Cyberspace bewirtschaften"?. Wohin das fuehrt, hat die "New Economy" deutlich gezeigt...

Rede ich hingegen von Diskursgemeinschaften, erspare ich mir solche Fehlschluesse. Und liefere auch eine recht zutreffende Beschreibung von dem, was in einer Community passiert. Man redet miteinander. Und es stellt sich das ein, was eben passiert, wenn man miteinander redet: Interesse, Solidaritaet, aber auch Ablehnung und Kritik. Sind das nicht auch hochinteressante Effekte?? che


Ich höre viel von Communities, und hinter dem Internet-Salon, den ich mit Freunden betreibe (house-salon.net), soll sich auch eine beträchtliche Community aufgebaut haben. Ich genieße das auch, besonders die Möglichkeit, international diskutieren zu können (manche Kontakte könnten anders gar nicht aufrecht erhalten werden - z.B. nach Ägypten), und doch ist die Communty keine Kategorie, an die ich mich halten könnte; es sei denn, eine Gruppe von Menschen nützt das Internet, um ihre Kommunikation zu erweitern, sprich (auch) face to face zu üben. Nur bei jenen Communties, die verschiedene Räume "betreten" (face to face, herkömmliche wie die neuen Medien nützend), sehe ich - im Bereich der Literatur und Wissenschaft - kontinuierliche Interessensformulierungen. -- WalterGrond?


In "SpacEconomy" bringe ich eine These ins Spiel, die mir sehr wichtig ist, naemlich die, dass wir eine neue Art der Multimedialitaet brauchen: Weil Menschen Raumwesen sind, reicht es nicht, nur in den Bahnen von Informationsmedien zu denken. Wer zu anderen Menschen eine Beziehung unterhaelt oder unterhalten will - sei es auf privater, sei es auf unternehmerischer Ebene -, wird sich nicht nur informationsmedialer, sondern auch raummedialer Strategien bedienen muessen. Wobei eine raummediale Strategie beispielsweise darin bestehen kann, miteinander essen zu gehen. Eine angemessene Multimedialitaet besteht folglich im richtigen (der Situation angemessenen) Kombinieren von verschiedensten medialen Strategien.

Was heisst das jetzt fuer Communities? Wie ich oben schon gesagt habe, betrachte ich Communities vor allem als Diskursgemeinschaften. Als solche begegnen sie uns einmal prinzipiell; als Seiten im Web, auf denen jemand (dieser Jemand kann auch ich selbst sein) etwas - und diese Formulierung Jacques Derridas ist fuer mich der Schluessel zum Verstaendnis von Communities - zu lesen gibt. Communities sind Orte/Systeme der Lesegabe - mit allem, was zu dieser Gabe dazu gehoert. Wichtig ist in diesem Zusammenhang vor allem der Begriff der Schuld: Wer eine Lesegabe erhaelt, steht in der Schuld der Lektuere und auch meist der Antwort ("Ich schulde Ihnen eine Antwort" sagt man beispielsweise). Wie umgekehrt der Geber der Lesegabe, der Autor, rasch in solche Schuldverhaeltnisse verstrickt wird, da er mit dieser Gabe immer auch schon weitere Gaben ankuendigt; weiterfuehrende Texte etwa oder Antworten auf Repliken, die auf die erste Gabe folgten.

Allerdings ist diese Schuld keine unbedingte: Komme ich der Aufforderung, sie zu begleichen, nicht nach, bleibt das fuer mich de facto ohne Konsequenzen. Schlimmstenfalls entstehen keine weiteren Gespraeche. Communities sind insofern - und das ist der entscheidende Punkt - Scheinoekonomien. Das heisst, Systeme der Gabe und der Schuld, die ein bestimmtes oekonomisches Verhalten einfordern und es zugleich auch wieder nicht tun. Dieser "Schein"-Charakter wird jedoch regelmaessig uebersehen, was zu all den ueberzogenen Community-Bildern fuehrt, die wir heute kennen: Wie feste Gruppen werden sie behandelt, wie soziale Systeme gedacht, in denen auch Raum eine Rolle spielt. Als Online-Community sind sie primaer aber einmal Diskursgemeinschaften, Scheinoekonomien, die echten Oekonomien zum Verwechseln aehnlich schauen, aber eben keine sind (was fuer all jene wichtig ist, die Communities als potentielle Tausch-Felder und Maerkte betrachten: Hier ist groesste Vorsicht geboten, wenn die naechste "New Economy"-Katastrophe vermieden werden soll. Strukturell spricht alles gegen eine solche Deutung...).

Ueberschritten wird diese Logik erst, wenn ich die Communities ihres Community-Charakters beraube und sie in einem groesseren Lebenszusammenhang als Raummedien einsetze. Also etwa dann, wenn ich sie im Rahmen eines groesseren Projekts als Koordinations- und Kommunikationstool benutze. Dann wird etwas anderes aus ihnen; erst dann ermoeglichen sie das, was Du "kontinuierliche Interessensformulierungen" genannt hast. Nur fuer sich selbst stehend, nur als Communities funktionierend, sind sie eben Scheinoekonomien...

Deswegen - und darauf will ich letztlich hinaus - sind sie wohl auch keine Kategorie, an die man sich halten kann. Zumindest noch nicht. Gerade dann aber, wenn man den "Schein"-Charakter erfasst hat, beginnt sich eine Kategorie zu formen und zu bilden, die sich als aeussert fruchtbar erweist. Was uebrigens in FastBook No.2 gezeigt werden wird. che


Ich bin hin- und hergerissen. Mir gefällt das FastBook 1 und auch viele Gedanken von Euch hier zu Raum und Community. Auch die Metapher der räumlichen und der flächigen Wirtschaft überzeugt mich in ihrer Bildhaftigkeit. Trotzdem weiß ich, dass hier die Begriffe des Raumes und der Community neu definiert werden, dadurch Resultate der Analyse vorwegnehmen und sich gleichzeitig gegen Kritik immunisieren. Wenn z. B. die Flächigkeit des Bildschirms als Nachweis dienen soll, dass Online grundsätzlich keine raumwirtschaftlichen Effekte und keine echten Communities möglich sind, dann begibt sich die Analyse möglicherweise an den Abgrund ihrer eigenen Glaubwürdigkeit - dann nämlich wenn irgendwann einmal in Zukunft dieser scheinbare Kausalzusammenhang zerbricht. Für dieses analytische Harakiri besteht IMHO kein Grund. Natürlich ist es jetzt - wo die New Economy am Boden liegt - auch opportun, zu sagen: "Es ist ohnehin klar, dass es scheitern musste". Und es ist auch angenehm zu sagen: "Weil es grundsätzlich nicht möglich ist". Es erschiene mir aber sinnvoller, einen anderen Weg einzuschlagen, nämlich die Forderungen und Eigenschaften zu beschreiben, die mit "echtem Raum" und "echter Community" verbunden sind (wohl wissend, dass hier neue Begriffe mit neuen Ansprüchen geprägt werden), um dann an Hand dieser "Meßgrößen" vorurteilsfrei zu untersuchen, in welchem Ausmaß Systeme - Offline oder Online - räumlich bzw. gemeinschaftlich wirken. Begriffe wie "kontinuierliche Interessenformulierung" scheinen mir Schritte in diese Richtung zu sein. Als jemand, der sich laufend mit gemeinschaftlichen Prozessen in Online-Kommunikationssystemen (ich vermeide das "Communities") beschäftigt, bin ich natürlich keinesfalls vorurteilsfrei. Aber mein Interesse an einer Objektivierung ist stärker als am "Hypen" von Systemen oder Begriffen, weil auch mir eine klare analytische Sicht langfristig mehr Nutzen bringt. -- HelmutLeitner


Ich denke nicht, dass ich methodisch so vorgehe, wie Du das beschreibst. Deiner Ansicht nach mache ich folgendes: Ich lege fest, was Raum und Community bedeuten (naemlich per Definition) und ziehe daraus dann Schlussfolgerungen. Dementsprechend ist meine Basis unangreifbar (weil es sich um eine Definition handelt, und die sind als Tautologien immer richtig) und der Rest in Gefahr, sich eines Tages als falsch herauszustellen.

Tatsaechlich habe ich aber nirgends explizit eine Definition vorgenommen. Natuerlich arbeite ich mit Begriffen, aber sie sind keine logische Setzung, keine Festlegung, die dem Schema folgt: Ich beschliesse nun, den Begriff X so und so zu verwenden. Das waere eine Definition, das waere definitorisches Denken. Das Primat hat die Logik und um das logischen Unternehmen starten zu koennen, schaffe ich einmal ein paar (unkritisierbare) Begriffe.

Das ist es aber nicht, was ich hier tue. Schliesslich kann man auch ganz anders zu denken beginnen; man muss nicht mit einer Setzung anfangen. Ich kann mich auch vor dem Bildschirm hinsetzen und fragen: Was erlebe ich hier? Was passiert, wenn ich vor dem Bildschirm sitze und - so wie gerade eben - online Gespraeche fuehre, aufbaue? Mit welchen Strukturen bin ich konfrontiert? Und was lassen sie zu? Fragen stellen, beobachten, nachdenken - das ist es wohl, was am Anfang meiner Denkbewegungen steht; der Begriff ist weniger eine Setzung als vielmehr schon das Resultat dieser Bewegung. Erfahrungen, Erlebnisse - die bringen mich zu Begriffen wie "RaumWelt?" oder "Flaechenwirtschaft". Und sie sind auch nicht sankrosankt. Gibt es so etwas wie "RaumWelten?" ueberhaupt? Man kann den Begriff jederzeit in Frage stellen, kritisieren - nichts an ihm ist immun. Gleiches gilt fuer meinen Verweis darauf, dass Communities Scheinoekonomien sind: Erleben sie sich wirklich so? Ist das wirklich eine Struktureigenschaft von Online-Communities? Vom Gegenstand ausgehen, durch das Einlassen auf ihn zu Fragen und Antworten (Begriffen) kommen - das ist meine Methode. Wobei ich immer wieder Strukturfragen zu stellen versuche, da diese entscheidende Hinweise darauf geben koennen, was der Gegenstand kann und was nicht. Und ich denke eben, dass Online-Communities bestimmte Eigenschaften haben, die sie klar von anderen Gemeinschaften unterscheiden und es wahrscheinlich nicht moeglich machen, deren Praktiken in die Online-Welt zu uebernehmen. Aber das sind lediglich Hypothesen. Kritisierbare und falsifizierbare (spekulative) Hypothesen.

Gerade das, was Du vorschlaegst, waere m.E. ein Arbeiten mit Definitionen: Zuerst wird untersucht, was Communities sind (welche Eigenschaften sie haben, welche Forderungen mit ihnen verbunden sind usw.) und dann wird empirisch abgeklaert, was online wie offline in Sachen Raum und Gemeinschaft fuer Communities gilt. Das setzt per Definition aber voraus, dass wir es on- wie offline mit Communities zu tun haben, mit einem Gegenstand in verschiedenen Auspraegungen! Was aber, wenn wir es mit ganz unterschiedlichen Gegenstaenden, Phaenomenen, zu tun haben, die nur aufgrund einiger gemeinsamer Merkmale beide als "Communities" bezeichnet werden? (So, wie man zu einer Esche "Baum" sagt, aber auch zu einem logischen Baum...) Ich denke, dass die Analyse vom Gegenstand ausgehen muss, nicht von allgemeinen Begriffen. Und vom Gegenstand ausgehen heisst einfach: Ihn zu erleben, mit ihm leben, ihn befragen, Hypothesen (inklusive logischer Ableitungen) aufstellen. Und tue ich das, kann ich nur sagen: Online und Offline Communities erleben sich anders; in raeumlicher Hinsicht ebenso wie in "gemeinschaftlicher". Was, wie ich vermute, mit unterschiedlichen Strukturen zu tun hat - siehe oben. che


Ich denke, dass wir hier schon ziemlich weit von den - außer Streit stehenden Ergebnissen - von FastBook 1 abgekommen sind. Auch ist diese Seite schon ziemlich groß geworden. Beides würde dafür sprechen, diese Seite neu zu strukturieren und eventuell nach den Themen aufzuteilen (oft wird im Wiki vom refactorieren gesprochen).

Zur Sache. Wenn du das persönliche Erleben in den Mittelpunkt stellst, dann erzähle ich von von meinen persönlichen Erlebnissen: ich tauche am Bildschirm in das System ein und vergesse, dass es ein flächiger Schirm und eine klapprige Tastatur ist. Für mich ist das nur ein Kommunikationssystem um Verbindungen zu anderen Menschen aufzubauen, die ich als Gemeinschaft erleben. Ich lerne im Wiki Menschen kennen, mit denen ich langfristige Beziehungen aufbaue und mit denen ich oft gemeinsam an Projekten arbeite. Wir sind miteinander per Du und wenn wir uns einmal sehen sollten (bei mir ist das erst einmal vorgekommen), dann ist das Verhältnis ähnlich dem von Schulfreunden. Die Online-Community, die ich erlebe, besteht aber nicht aus einem System, sondern aus den Menschen, der Geschichte ihrer Kommunikation und aus den Regeln bzw. der Kultur, die den Aufbau ermöglicht. Was bedeutet dieses mein Erleben für dich?

Ich meine auch nicht, dass durch das gemeinsame Betrachten von Offline- und Online-Gemeinschaften vorweggenommen wird, dass es sich um gleichartige Phänomene handelt, obwohl ich das denke. Ich wäre zufrieden, wenn ein Vertreter der Offline-Communities die Eigenschaften von Offline-Communities beschreiben würde. Die Übertragung auf Online-Communities würde dann Ähnlichkeiten und Unterschiede ergeben. Natürlich hätte es aber keinen Sinn zu sagen: "Gemeinschaft existiert nur dort, wo sich Menschen im gleichen physikalischen Raum begegnen". Dies würde eine definitorische Grenze zwischen Online- und Offline-Communities ziehen. Genau so eine Festlegung scheinst du mir aber - direkt oder indirekt - zu ziehen. -- hl


Mein Argument lautet anders, nicht "Gemeinschaft existiert nur dort, wo sich Menschen im gleichen physikalischen Raum begegnen", sondern: "Jenes Phaenomen, jenes Erleben, das wir in der Regel als 'Gemeinschaft' oder 'Oeffentlichen Raum' bezeichnen, hat andere Qualitaeten und Eigenschaften als das Phaenomen, auf das wir treffen, wenn wir beispielsweise in einem Wiki eine Diskussion beginnen. Einige Eigenschaften und Qualitaeten sind aehnlich; es ist daher vom Funktionieren unserer Sprache aus durchaus legitim, die Online-Diskussionen als Gemeinschaften, als Communities, zu bezeichnen. Aber lassen wir uns nicht von der Sprache dazu verfuehren, dann sofort in der Online-Community das gleiche wie in einer Offline-Community zu sehen". Mir geht es um die Differenz, die feinen Unterschiede, da uns das zu anderen Hypothesen und damit - und das ist immer das Entscheidende!!! - zu anderen Ableitungen, Schlussfolgerungen fuehrt. Bestenfalls wuerde ich sagen: "Das, was wir meist im Sinn haben, wenn wir von Gemeinschaft sprechen, hat etwas mit "Raum Leben" zu tun und ist davon nicht zu trennen. Im Online-Bereich entsteht was Neues, das auch mit sozialen Leben zu tun hat - wie koennte und sollte ich das bezweifeln?, - aber doch etwas anderes zu sein scheint". Siehst Du den Unterschied?

Auf jeden Fall sind wir jetzt an einem Punkt angekommen, von dem aus man gemeinsam weiter denken und Begriffe entwickeln kann. Natuerlich ist mir Dein Erleben wichtig! Haben wir eine andere Basis als dieses? Das schoenste empirische Test-Modell kann nur aus dem Erleben heraus entwickelt werden; auf der Basis der Erfahrungen und Fragen, die sich fuer uns auf der phaenomenologischen Ebene ergeben haben (Popper spricht hier gerne vom Staunen, von der Neugier, vom echten Problem - weshalb ich ihn auch sehr schaetze: Im Unterschied zu vielen anderen Wissenschaftsphilosophen verdraengt er die phaenomenologische Basis des Denkens nicht. Anders als die hermeneutische Philosophie oder die Dekonstruktion Derridas analysiert und formuliert er diese Basis zwar nicht genauer; er markiert sie aber eben als Ausgangspunkt: Da muessen wir immer wieder anfangen; daraus leben wir....).

Und so koennen und sollten wir auch bei Deinem/meinem Erleben weitermachen (vielleicht auf einer eigenen Community-Diskussionsseite - von mir aus gerne!!!): Du sagts, Du baust langfristige Kommunikationsbeziehungen auf; begegnet man den Menschen dann tatsaechlich, ist es, als ob Du mit Schulfreunden zu tun haettest. Auch, weil ihr ein gemeinsames Gefuege von Regeln habt, eine Kultur, eine gemeinsame Geschichte. Ich kann das gut nachvollziehen, obwohl die Begegnung mit Menschen, mit denen ich laengere Zeit nur ueber das Netz Kontakt hatte, dann doch seltsam ist. Beispielsweise weil ihre Koerpersprache eine ganz andere ist als ihr intellektueller Diskurs; das kann positive, aber auch negative Folgen haben. Es entsteht dann doch ein wieder anderes, kompletteres Bild des Menschen. Was mich auch interessieren wuerde ist, wie Du die Kultur, die Regeln erlebst: Sicher, sie haben etwas Verpflichtendes, aber sie erscheinen mir doch milder als viele andere Rahmenwerke, mit denen wir sonst zu tun haben. Wie schauen Deine Erfahrungen und Erlebnisse in diese Richtung aus? che


Obwohl wir jetzt hier kurz davor waren, in Methodenfragen und in einem kleine wissenschaftsphilosophische Diskussion abzugleiten, denke ich, dass diese Diskussion ausbaubar ist:

  • Sind Lesen und Schreiben die beiden Basiskategorien, von denen aus Communities verstanden werden koennen und muessen?
  • Zu welchem Bild der Community fuehrt und das hin und was lernen wir aus diesem fuer die Wirtschaft und die wirtschaftliche Nutzung von Communities?
Zum Thema Lesen und Schreiben: Da wurde mittlerweile an anderer Stelle in diesem Wiki ein bisschen was angelegt; vergl. dazu "Ueber das Lesen", http://www.wikiservice.at/buecher/wiki.cgi?ÜberDasLesen

ChristianEigner

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