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Dobytschin Leonid

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Leonid Dobyčin

Evdokija - Eine Erzählung

Friedenauer Presse 2008, Aus dem Russischen übersetzt und herausgegeben von Peter Urban

32 S., Broschur. Umschlag-Entwurf von Horst Hussel, ISBN 978-3-932109-57-7, 9.50 €


Leonid Dobyčin (1894-1936) gehört zu den großen Autoren jener lange verfemten Avantgarde, die erst nach dem Ende der Sowjetherrschaft allmählich wieder ins Bewußtsein rückt. Er ist heute unter Kennern ein Geheimtip, berühmt für seinen knappen, auf das Wesentliche reduzierten Stil.

Die Erzählung spielt vor dem Hintergrund der wachsenden nationalen und konfessionellen Spannungen im Baltikum unmittelbar vor Ausbruch des ersten Weltkriegs. Riga, seit 1729 Hauptstadt des russischen Gouvernements Livland, war zu 46% von Baltendeutschen, zu 25% von Russen und zu 23% von Letten bewohnt; der Konfession nach: 64% Protestanten und Katholiken, 18% Russisch-Orthodoxen, 12% jüdischen Glaubens. Ähnlich waren die Verhältnisse in der Stadt Dünaburg, ab 1893 Dvinsk, wo jedoch der polnische Bevölkerungsanteil beträchtlich war: ehemals polnisch-litauisch, kam die Stadt mit der ersten Teilung Polens 1772 an Rußland.

Wie schon in dem Roman Im Gouvernement S. (1996 als Winterbuch bei der Friedenauer Presse erschienen) zeichnet Dobyčin mit sparsamsten Mitteln Personen, Orte und Landschaften, indem er Alltagsszenen, Dialoge, knappe Naturbilder aneinandermontiert. Darin wird, ohne jede Erklärung und Stellungnahme, die wachsende Spannung zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen greifbar, hier zwischen russisch-orthodoxem Kleinbürgertum und polnisch-katholischem Adel.

Einen kaum merklichen Kontrapunkt bildet die Natur in ihrer beiläufigen Wiederholung: Die Erzählung umfaßt einen vollen Jahreszeitenzyklus - Sommer, Herbst, Winter, Frühling und wieder Sommer bis zum 1. August 1914, dem Tag der deutschen Kriegserklärung an Rußland. In Dobyčins Erzählung reduziert auf den Satz "Der Krieg ist erklärt", eingerahmt vom Tod eines Hündchens und dem Flußbad einer Sommerfrischlerin, die von der Nachricht überrascht wird.

In so lakonisch-eindringlicher Form ist der Ausbruch des ersten Weltkriegs literarisch bisher kaum dargestellt worden.

Russisches Sittengemälde - Leonid Dobytschins meisterliche Erzählung «Jewdokija»
Rezension in NZZ Online 23.12.08




OrdnerAutoren OrdnerRussland


Leonid Dobyčin
Evdokija - Eine Erzählung
Friedenauer Presse 2008, Aus dem Russischen übersetzt und herausgegeben von Peter Urban
32 S., Broschur. Umschlag-Entwurf von Horst Hussel, ISBN 978-3-932109-57-7, 9.50 €

Leonid Dobyčin (1894-1936) gehört zu den großen Autoren jener lange verfemten Avantgarde, die erst nach dem Ende der Sowjetherrschaft allmählich wieder ins Bewußtsein rückt. Er ist heute unter Kennern ein Geheimtip, berühmt für seinen knappen, auf das Wesentliche reduzierten Stil.

Die Erzählung spielt vor dem Hintergrund der wachsenden nationalen und konfessionellen Spannungen im Baltikum unmittelbar vor Ausbruch des ersten Weltkriegs. Riga, seit 1729 Hauptstadt des russischen Gouvernements Livland, war zu 46% von Baltendeutschen, zu 25% von Russen und zu 23% von Letten bewohnt; der Konfession nach: 64% Protestanten und Katholiken, 18% Russisch-Orthodoxen, 12% jüdischen Glaubens. Ähnlich waren die Verhältnisse in der Stadt Dünaburg, ab 1893 Dvinsk, wo jedoch der polnische Bevölkerungsanteil beträchtlich war: ehemals polnisch-litauisch, kam die Stadt mit der ersten Teilung Polens 1772 an Rußland.

Wie schon in dem Roman Im Gouvernement S. (1996 als Winterbuch bei der Friedenauer Presse erschienen) zeichnet Dobyčin mit sparsamsten Mitteln Personen, Orte und Landschaften, indem er Alltagsszenen, Dialoge, knappe Naturbilder aneinandermontiert. Darin wird, ohne jede Erklärung und Stellungnahme, die wachsende Spannung zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen greifbar, hier zwischen russisch-orthodoxem Kleinbürgertum und polnisch-katholischem Adel.

Einen kaum merklichen Kontrapunkt bildet die Natur in ihrer beiläufigen Wiederholung: Die Erzählung umfaßt einen vollen Jahreszeitenzyklus - Sommer, Herbst, Winter, Frühling und wieder Sommer bis zum 1. August 1914, dem Tag der deutschen Kriegserklärung an Rußland. In Dobyčins Erzählung reduziert auf den Satz "Der Krieg ist erklärt", eingerahmt vom Tod eines Hündchens und dem Flußbad einer Sommerfrischlerin, die von der Nachricht überrascht wird.

In so lakonisch-eindringlicher Form ist der Ausbruch des ersten Weltkriegs literarisch bisher kaum dargestellt worden.

Russisches Sittengemälde - Leonid Dobytschins meisterliche Erzählung «Jewdokija»
Rezension in NZZ Online 23.12.08


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