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Anna Achmatova

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* Анна Андреевна Ахматова (Википедия)


Anna Andreevna Achmatova, russische Dichterin, 1889 bis 1966


Leben & Allgemeines

Anna Andreevna Achmatova lebte von 1889 bis 1966. Von 1910 bis 1918 war sie mit dem Dichter Gumilëv (NikolajGumiljow) verheiratet. Die Gedichte dieser frühen Zeit sind fast ein Tagebuch mit der Liebe als Hauptthema – von Achmatova stammen einige der schönsten russischen Liebesgedichte. Auch die Berufung des Dichters und religiöse Themen spielen in diesen Jahren eine zentrale Rolle in ihrem Werk. Später dominieren andere Themen: Das unglückliche Schicksal des sowjetischen Rußland, Abschied und Trauer, denn trotz der Repressalien, denen sie ausgesetzt war, verließ Achmatova Rußland nicht und mußte sich von vielen emigrierenden Freunden trennen. Heute ist ihr bekanntestes Werk wahrscheinlich Requiem, ein Zyklus von zwölf Gedichten um ihren inhaftierten Sohn. Es ist ein literarisches Denkmal für die Opfer des Stalinterrors, wobei Achmatova eindrücklich zeigt, daß zu den Opfern nicht nur die Millionen Inhaftierter, Verschollener, Ermorderter gehören, sondern genauso auch deren Angehörige und Freunde. Statt eines Vorworts schrieb sie:

In den schrecklichen Jahren des Justizterrors unter Ežov habe ich siebzehn Monate mit Schlangestehen in den Gefängnissen von Leningrad verbracht. Auf irgendeine Weise „erkannte“ mich einmal jemand. Da erwachte die hinter mir stehende Frau, die meinen Namen natürlich niemals gehört hatte, aus jener Erstarrung, die uns allen eigen war, und flüsterte mir ins Ohr die Frage (dort sprachen alle im Flüsterton): „Und das alles können Sie beschreiben?“ Und ich sagte: „Ja.“ Da glitt etwas wie ein Lächeln über das, was einmal ihr Gesicht gewesen war.

Anna Achmatova ist neben OssipMandelstam die wichtigste Vertreterin des Akmeismus, einer Gruppe von Dichtern des silbernen Zeitalters, die sich 1911 in ausdrücklicher Ablehnung des Symbolismus zusammenschlossen. Für die Akmeisten stand das Alltägliche, das Akzeptieren der Wirklichkeit im Mittelpunkt, und so zeichnen sich ihre Gedichte vor allem durch Details des Alltagslebens, freien Vers und genaue Wortbedeutung aus. Der Symbolik der Symbolisten, zu deren Entschlüsselung man oft genug Symbolismus-Wörterbücher zu Rate ziehen muß, setzten sie eine natürliche und klare Sprache entgegen.


Anna Achmatova
Enuma elisch
Traum im Traum
Russisch und Deutsch, übersetzt von Alexander Nitzberg
Gebunden, mit Schutzumschlag, 231 Seiten, Fadenheftung, 18,5 x 12 cm
Euro 19.- / sFr. 33.-, ISBN 978-3-905591-94-1, März 2005

Da sowjetische Exegeten von der Literatur stets «Geschlossenheit» erwarteten, wurde Anna Achmatovas letztes großes Werk «Enuma elisch» jahrzehntelang nur stiefmütterlich behandelt. Es galt als nicht wirklich existent, zumindest als unvollendet. Indessen hielt sie es selbst, wie zahlreiche Briefe belegen, für ihre wichtigste Schöpfung, ja, sogar für ihr dichterisches Testament schlechthin. Mit der vorliegenden Übertragung wird der Text zum ersten Mal auch im deutschsprachigen Raum bekannt. «Enuma elisch» heißt auf Altbabylonisch «Als droben …» Mit diesen Worten beginnt eine uralte Kosmogonie. Auch in ihrem «Enuma elisch» formuliert Achmatowa einen Mythos: den des eigenen Lebens vor dem Hintergrund der Epoche. Dabei treibt sie das bereits im «Poem ohne Held» erprobte Prinzip der Mystifikation noch auf die Spitze. In scheinbar bruchstückhaften Szenen, Gedichten, Prosapassagen, Tagebucheintragungen und fiktiven Rezensionen besingt sie eine Liebe, die sich über Raum und Zeit erhebt. Die Dichterin selbst erscheint hier als eine große Unbekannte – als X, während die Ableitung X2 ihre «nächtliche Seite» darstellt. Sie wird zu einer Schlafwandlerin, deren größte Angst es ist, plötzlich aufzuwachen. «In Taschkent hat mein Poem ohne Held eine Weggefährtin bekommen: das Drama Enuma elisch, ein Mittelding aus Buffonade und Prophetie, von dem nicht einmal ein Häuflein Asche übriggeblieben ist …»


Materialien

Agnieszka Swierszcz
Die 'literarische Persönlichkeit' von Anna Achmatova
Eine Rekonstruktion
Studien zur Slavistik, Bd. 7
Hamburg 2003, 374 Seiten, ISBN 3-8300-0970-4

»Mit der vorliegenden Monographie gelingt es Agnieszka Swierszcz, sich einen der schwierigsten Aspekte der Poetik Achmatovas, die Rekonstruktion der polyvalent besetzten Figur der "literarischen Persönlichkeit", auf der Grundlage eines überzeugenden methodischen Verfahrens so vorzunehmen, daß die logischen Schritte zu ihrer Verdeutlichung und zur Entschlüsselung des Stimmengewirrs einsichtig sind. Die Durchschaubarkeit ihrer literaturwissenschaftlichen Methodik ist auch auf eine stilistisch und semantisch überzeugende sprachliche Gestaltung einer Abhandlung zurückzuführen, die die neuesten Erkenntnisse der Achmatova-Forschung grundlegend einbezieht.« (osteuropa, 7/2004)

Zum Inhalt: Das Verhältnis zwischen Autor und Text gehört zu den immer wiederkehrenden Fragen der Literaturwissenschaft. Trotz der Ankündigung vom "Tod des Autors" (R. Barthes), bzw. seiner Ernennung zu einer diskursiven Größe (Foucault) ist die Debatte um den Autor und seine Beziehung zu Text nicht verstummt. In der Russistik lebte sie insbesondere in den neueren Forschungen zur Moderne (Symbolismus) wieder auf, in denen der Zusammenhang zwischen Kunst und Leben im Zentrum zahlreicher Arbeiten steht (Lachmann, Schahadat). Diese Studien haben aber nicht zu einer grundsätzlichen Veränderung und Erneuerung der Begrifflichkeit geführt. Die traditionelle Aufspaltung des Autors in eine biographische und textinterne Instanz reicht nicht aus, um die Ästhetik der Modeme zufriedenstellend zu beschreiben.

In diesem Buch wird als eine Alternative der von der russischen "Formalen Schule" geprägte Begriff der "literarischen Persönlichkeit" (Tynjanov) vorgeschlagen. Obwohl er schon in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts entstand und bisher nur wenig rezipiert wurde, enthält er Ansätze, die ihn für die moderne Diskussion attraktiv machen können. Er erlaubt, die Verhältnisse zwischen den einzelnen Textinstanzen neu zu definieren, außertextuelle Elemente, darunter auch den empirischen Autor, in die Textanalyse einzubeziehen und auf diese Weise der poststrukturalistischen Apersönlichkeit zu entgehen, ohne in den Verdacht des Intentionalismus zu geraten.

Die Beziehungen zwischen der Person des Autors, seiner "literarischen Persönlichkeit" und seinem Text lassen sich sehr gut am Beispiel des Schaffens von Anna Achmatova veranschaulichen. In die russische Kultur des 20. Jahrhunderts ist sie nicht nur als eine hervorragende Dichterin sondern vor allem als ein kulturelles Phänomen eingegangen. Das Schaffen und Leben Achmatovas bilden eine signifikante Symbiose - in ihrem verborgenem Wechselspiel taten sich Sinninhalte auf, die repräsentativ für die ganze Generation waren. Ihre "literarische Persönlichkeit" gibt diesen Spannungen eine Ausdrucksform. Sie wird von der Dichterin als eine Vermittlerin zwischen ihrer biographischen Person und der Geschichte eingesetzt. Sie wird zu einem idealen Spiegel, der dem Ich der Dichterin und ihrer ganzen Generation vorgehalten wird.

In der vorliegenden Arbeit wird sie als eine Textinstanz im Schaffen Anna Achmatovas beschrieben. Die Modellierung der sich aus verschiedenartigen Elementen zusammensetzenden "literarischen Persönlichkeit" wird dabei – in Abgrenzung von der symbolistischen Praxis des "Mifotvorestvo" – als "kul’turotvoreskij" (kulturbildender) Prozeß betrachtet, in dem nicht nur die sprachlichen und literarischen Mittel als entscheidende Elemente untersucht, sondern auch die kontextuellen Bezüge zur Geschichte und zum Stil der Epoche hergestellt werden.

Stichworte: Anna Achmatova, Russische Literatur, Slavistik, Akmeismus, Intertextualität, Literaturwissenschaft, Autor, Lyrischer Held


Einzelne Werke

Sind frische Worte, einfaches Gefühl
Für uns nicht das, was für den Maler – Sehen,
Dem Schauspieler – die Stimme und Bewegung,
Der schönen Frau – ihr schönes Spiegelbild?

Doch hüte dich, das in dir zu verschließen,
Was überreich der Himmel dir geschenkt:
Wir sind verurteilt – wie wir selber wissen –
nicht aufzuhäufen, sondern zu verschenken.

Geh hin, allein, und heile alle Blinden,
Damit du in der Zweifelsstunde siehst,
Wie deine Schüler schadenfroh sich winden
Und in der Menge keiner dich vermißt.

1915

Quelle:

Нам свежесть слов и чувста простоту
Терять не то ль, что живописцу – зренье
Или актеру – голос и движенье,
А женщине прекрасной – красоту?

Но не пытайся для себя хранить
Тебе дарованное небесами:
Осуждены – и это знаем сами –
Мы расточать, а не копить.

Иди один и исцеляй слепых,
Чтобы узнать в тяжелый час сомненья
Учеников злорадное глумленье
И равнодушие толпы.

1915

А.Ахматова, Стихотворения.
Поэтическая Россия. Москва: Советская Россия, 1977.


Hörbuch MarinaZwetajewa / Anna Achmatowa

Marina Zwetajewa / Anna Achmatowa
mit dem strohhalm trinkst du meine seele
Gedichte - Lesung
Auwahl, Begleittext und Übersetzung aus dem Russischen von Ralph Dutli
Sprecher: Ralph Dutli, Katharina Thalbach
Regie: Gabriele Kreiß, Technik: Christoph Panizza, Giesing Team
München/Nikolau Esche, Audio Vision Studios
Produktion: Der Hörverlag, München 2003, 1 CD, Laufzeit: ca. 64 Minuten. Mit Booklet.

(Rezensiert, entsprechend dem Gästebuch-Eintrag von Franz Schön.)

Marina Zwetajewa (1892-1941) und Anna Achmatowa (1889-1966) - zwei faszinierende russische1 Lyrikerinnen, die unterschiedlicher nicht sein konnten: Beide hatten ganz unterschiedliche Temperamente. Vertritt die Achmatowa die klassische Ruhe, die schlichte Alltagsprosa, "die beharrliche Untertreibung des Leidens" (Ralph Dutli), so verkörpert Marina Zwetajewa den impulsiven Ausbruch, den ungehemmten Schrei, den "lieben Zorn" (Dutli). Achmatowa bekennt sich zum Maß, Zwetajewa - "zur Maßlosigkeit in einer Welt des Maßes", wie es in einem Gedicht von ihr aus dem Jahre 1923 heißt. Zwetajewa verkörpert die russische Poesie des 20. Jahrhunderts im Exil (in Berlin, Prag und Paris); Achmatowa harrt stoisch in der stalinistischen Sowjetunion aus, obwohl sie nach fünf Gedichtbänden unter ideologischem Druck von 1922 bis 1940 - achtzehn Jahre lang! - verstummte...


Zu einem Gedicht von >>> MarinaZwetajewa "An Achmatowa"
Anna Achmatova über >>> OssipMandelstam
Widmung von Anna Achmatova >>> MichailBulgakow zum Gedenken


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